"Keiner wird allein gelassen"

BGE

Interview

Jeder Bergwerksstandort der BGE ist mit mindestens einer Grubenwehr ausgestattet. Manchmal auch mit einer Werkfeuerwehr. Und dann ist da noch die Höhenrettung. Welche Aufgaben zu bewältigen sind, wie die Zusammenarbeit innerhalb und zwischen den Gruppen funktioniert und mit welchen technischen Weiterentwicklungen man sich auseinandersetzten muss – darüber sprechen und diskutieren Ingo Zipp (Grubenwehr Asse), Peter Osbelt (Grubenwehr Morsleben und Gorleben), Mario Patzschke, Andreas Berger (beide Werkfeuerwehr Morsleben), Jens Wehrmaker (Grubenwehr Konrad), Hilmar Umbach und Nils Bialojahn (beide Werkfeuerwehr Asse) im Interview.

Jedes Kind weiß: Wenn es brennt oder es einen Unfall gibt, dann ruft man die 112. Warum reicht das für die Betriebe der BGE nicht aus? Warum brauchen wir eine eigene Werkfeuerwehr?

Hilmar Umbach: Weil hier nicht jeder reinkommt. Denn was wir zwingend brauchen, ist Ortskenntnis und das Wissen, welche Besonderheiten es im Betrieb gibt. Die Werkfeuerwehr kennt sich im Betrieb aus. Ihre Mitglieder werden auf die besonderen Anforderungen gezielt ausgebildet.

Haben Sie ein Beispiel für uns?

Hilmar Umbach: Nehmen Sie die Fördermaschinen. Die gilt es unbedingt zu schützen, weil der gesamte Grubenbetrieb davon abhängig ist. Die Fördermaschine ist wichtiger als ein Bürogebäude. Und da liegt dann der Fokus drauf. Auch die atomaren Abfälle müssen wir im Blick haben. Der Umgang damit ist wirklich nichts alltägliches, beinahe ein weißer Fleck auf der Landkarte, und erfordert eine spezielle Ausrüstung und ein entsprechendes Know-how. Natürlich haben wir hin und wieder auch mit unterschiedlichen Gefahrstoffen zu tun, etwa mit Diesel oder anderen Kraftstoffen. Mit denen können wir genauso umgehen wie die öffentlichen Feuerwehren auch.

Was ist das Besondere am Umgang mit atomaren Abfällen? Wie bereiten Sie sich darauf vor?

Hilmar Umbach: Natürlich mit einer intensiven Ausbildung. Damit jeder weiß, worauf er sich einlässt. Wir müssen die Gefahren einschätzen, um die Lage einzudämmen, damit eine mögliche Kontamination nicht in die Umwelt gelangen kann, etwa durch Stäube oder Aerosole. Kurz: Manchmal muss man die Tür auch erst einmal zulassen und gucken, bevor man einfach blind reinläuft.

Peter Osbelt: Das ist aber noch Zukunftsmusik! Noch sind die Abfälle auf der Asse aber nicht in der Nähe der Biosphäre, sondern unter Tage. Das wird erst in ein paar Jahren Realität sein.

Hilmar Umbach: Trotzdem müssen wir schon jetzt anfangen, uns vorzubereiten und die Ausbildung darauf auszurichten. Personal anzuwerben und auszubilden dauert. Zehn Jahre sind da nicht viel Zeit. Wenn das erste Fass oben ist, muss das funktionieren.

Ein Feuerwehrfahrzeug schräg hinten von der Seite
Einsatzfahrzeug der Werkfeuerwehr Asse.
Mehrere Personen in braunen Feuerwehruniformen bergen eine Dummy-Puppe unter einem Radlader
Mit regelmäßigen Übungen bereiten sich die Werkfeuerwehrleute auf Einsätze vor.

Blick auf die Ausbildung

Wie sieht die Ausbildung konkret aus?

Hilmar Umbach: Die Gefahrstoffausbildung ist wichtig. Jeder, der in der Werkfeuerwehr ist, soll einen ABC-Lehrgang (atomar, biologisch, chemisch) gemacht haben. Es gibt extra Lehrgänge für Führungspersonen, einen weiteren für den Strahlenschutz. Den machen wir dank der Kameraden, die im Strahlenschutz arbeiten, selber. Wie funktionieren die Messgeräte, wie dekontaminiere ich Personen oder Gegenstände? Das alles sind Grundtätigkeiten, die jeder können muss. Wir arbeiten nur nebenberuflich in der Werkfeuerwehr - unsere Wehrmänner haben alle einen Hauptberuf!

Andreas Berger: Bei uns in Morsleben sieht es sehr ähnlich aus. Unsere Leute sollen auch die ABC-Lehrgänge bekommen. Leider sind sie nicht immer verfügbar. Deshalb dauert es auch etwa zehn Jahre, um eine Truppe komplett auszubilden. Und: Es muss regelmäßig geübt werden. Für manche Dinge braucht es Wiederholungslehrgänge oder Belastungstests.

Und die Feuerwehren in der Umgebung haben die Fähigkeiten der Werkfeuerwehren nicht?

Nils Bialojahn: Genau. Es gibt zwar eine Gefahrgutausbildung. Die meisten Freiwilligen Feuerwehren wären aber extrem vorsichtig, wenn sie in einem liegengebliebenen Fahrzeug ein Packstück mit schwarz-gelbem Flügelrad sehen. Sie ziehen sich sicher erst einmal zurück und suchen jemanden, der sich damit auskennt. Wenn die Verpackung nicht beschädigt ist, kann gar nichts passieren. Aber das Flügelrad hat sich bei jedem eingeprägt, dass man denkt: Alles was mit Strahlung zu tun hat, ist gefährlich.

Sind die Wehrleute in der Regel auch in einer lokalen freiwilligen Feuerwehr aktiv?

Hilmar Umbach: 90 Prozent sind in den öffentlichen Feuerwehren tätig. Wir haben aber auch immer mal jemanden, der noch keine Berührungspunkte hatte.

Nils Bialojahn: Gutes Personal wächst nicht auf den Bäumen und wir kümmern uns darum, dass auch die Kameraden ohne Feuerwehrerfahrung ihre Lehrgänge bekommen.

Andreas Berger: Wir hatten auch schon Kollegen, die wir ausbilden mussten, weil sie vorher mit der Feuerwehr nichts zu tun hatten. Die Grundausbildung war ein zweiwöchiger Lehrgang, dazu gehörte der Truppmann Teil 1 (TM1), der Atemschutzgeräteträger und die Spechfunkerausbildung Modul 1.

Nils Bialojahn: Bei uns läuft gerade auch ein Kurs. Oft findet die Ausbildung bis spät abends statt. Freiwilligkeit ist wichtig, aber man muss schon Zeit mitbringen.

Peter Osbelt: Daher ist Personalplanung in der Wehr ein wichtiges Thema! Wenn plötzlich auffällt, dass der Leiter in Rente geht, kann man den eben nicht innerhalb von zwei Jahren neu aufbauen.

Wie sieht es mit der Hierarchie aus?

Ingo Zipp: In der Grubenwehr ist die Hierarchie recht flach. Im ersten Jahr ist man Anwärter, dann Wehrmann. Mit mehr Erfahrung kann man Truppführer werden, nach mindestens zwei Jahren dann Oberführer beziehungsweise stellvertretender Oberführer. Die Zeiten sind in den Leitlinien für die Grubenwehren in Deutschland genau festgeschrieben.

„Ich schaue nicht weg, wenn andere in Not sind – ich will helfen. Dazu müssen wir uns körperlich, aber auch geistig fit halten. Unsere regelmäßigen Übungen, gerade das Training mit neuer Technik, ist dafür extrem wichtig.“
Ein Portrait von einem Mann in orangener Jacke und Helm vor eine Wand unter Tage
Jens Wehrmaker, 55 Jahre, Oberführer Grubenwehr Konrad & Brandschutzbeauftragter

Voraussetzungen für Aufnahme

Zwei Männer in orangen Arbeitsanzügen und mit Atemschutzmaske ziehe in einem Bergwerkstollen eine Trage mit einem verletzten hinterher.
Schachtanlage Asse: Auch der Transport von verletzten Personen muss regelmäßig geübt werden.

Wenn man Mitglied in der Grubenwehr werden möchte, was ist zu tun?

Peter Osbelt: Man bewirbt sich formlos und wird auf eine Warteliste gesetzt. Wir müssen eine Stärke von 24 Mitgliedern erfüllen – wir haben immer 27 oder 28, falls mal jemand ausfällt. Die Leute müssen in der Nähe wohnen, um zeitnah erreichbar zu sein. Sich unter Tage auszukennen und Fahrzeuge wie einen Gabelstapler oder Großgeräte bedienen zu können, schadet nicht. Es kann ja mal so ein Gerät im Wege stehen. Ich brauche immer eine entsprechende Anzahl gut ausgebildeter Leute im Strahlenschutz, falls wir im Kontrollbereich einen Einsatz haben. Viele Kriterien spielen also eine Rolle. Nicht zu vergessen die menschliche Komponente.

Jens Wehrmaker: Man hat ja in der Grubenwehr aus allen Abteilungen Leute. Dann fragt man halt „Ich habe einen Anwärter aus deiner Abteilung. Was denkst du über den?” Und dann kann man ja auch noch mal mit den Steigern unter Tage sprechen. Also man erkundigt sich schon.

Ingo Zipp: Solange charakterliche Eignung, Fitness und die Durchmischung aus den einzelnen Gewerken passt, ist es für alle möglich.

Peter Osbelt: Deswegen haben wir bisher auch keine Frauen in der Grubenwehr. Das hängt mit dem Berufsbild unter Tage zusammen. Das wird sich sicher ändern, wenn es unter Tage mehr Frauen gibt.

Ingo Zipp: Es ist eine sehr herausfordernde Tätigkeit. Aber letztendlich gelten für alle die gleichen Einstellungsvoraussetzungen. Und dann kommt halt noch das Jahr Anwärterschaft. Da muss sich jeder bewähren. Es gab schon Fälle, wo es einfach nicht gepasst hat.

Jens Wehrmaker: Die letzte Entscheidung hat am Ende der Oberführer!

Gibt es bei den Berufsbildern in den Wehren eine Art Automatismus – wer über Tage arbeitet, geht in die Werkfeuerwehr, wer unter Tage ist in die Grubenwehr?

Mario Patzschke: Bei uns in der Werkfeuerwehr Morsleben geht beides. Bei uns ist es gemischt.

Peter Osbelt: Es macht Sinn, die Leute, die unter Tage arbeiten, in die Grubenwehr aufzunehmen. Sie kennen sich unter Tage gut aus und die, die mehr über Tage tätig sind, etwa in Werkstätten, die kennen sich da besser aus. Die sind besser in der Werkfeuerwehr aufgehoben.

Ingo Zipp: Wir haben in der Grubenwehr Asse tatsächlich knapp 20 Prozent übertägige Belegschaft. Wir haben 28 Mitglieder. Die, die für die Grubenwehr geeignet sind, laufen nicht an jeder Ecke herum. Daher nehmen wir auch Kameraden, die mehr oder nur über Tage arbeiten.

„Die Grubenwehr – das ist eine sehr herausfordernde Tätigkeit. Die Zähne zusammenbeißen und sich den körperlichen sowie geistigen Herausforderungen zu stellen, gepaart mit der vertrauensvollen Zusammenarbeit und dem kameradschaftlichen Geist der Grubenwehr, machen diese Truppe einzigartig.“
Ein Portrait von einem Mann mit orangenen Arbeitsanzug und Helm in einem Stollen
Ingo Zipp, 37 Jahre, Oberführer Grubenwehr Asse

Unterschiede der Wehren

Was unterscheidet die Wehren voneinander?

Ingo Zipp: Ein Unterschied liegt in den Eingreifzeiten. Grubenwehren greifen nicht innerhalb von fünf Minuten ein. Bei der Werkfeuerwehr gilt: Je eher desto besser! Und wenn Schnelligkeit wichtig ist, dann macht es Sinn, dass in der Werkfeuerwehr mehr von über Tage dabei sind. Die sind ja schon über Tage und dann einfach schneller vor Ort. Die Feuerwehr geht direkt aufs Feuer und löscht. Die Grubenwehr schneidet die Luftzufuhr ab und erstickt den Brand.

Also unter Tage wird indirekt gelöscht, über Tage eher direkt?

Peter Osbelt: Ja. Schnelle Einsatzzeit heißt direkte Brandbekämpfung. Die Grubenwehr hat dagegen hohe Rüstzeiten. Es dauert vergleichsweise lange bis die Kameraden eintreffen, die Ausrüstung vor Ort und dann auch angelegt ist. Das liegt in der Natur der Sache. Jede Feuerwehr wird immer so getrimmt, möglichst schnell zu sein. Eine Grubenwehr dagegen muss immer erst einmal die Lage sondieren. Oft ist gar nicht ersichtlich, wo was wie an welcher Stelle brennt. In den meisten Einsatzfällen der Grubenwehr würde dann eine indirekte Brandbekämpfung gemacht. Sprich dem Feuer wird über Dammbau oder ähnliches die Sauerstoffzufuhr entzogen und man lässt das relativ gezielt abbrennen.

Jens Wehrmaker: Die Grubenwehr ist personell auch nicht so stark aufgestellt. Bei einer Feuerwehr kann ich immer nachordern, das geht schnell. Da hast du in einer halben Stunde 100 Leute vor Ort, wenn nötig. Bei uns in der Grubenwehr hast du in einer Stunde zehn Kameraden da.

Peter Osbelt: Nach Gorleben brauchen wir sogar zwei Stunden. Die zwei Trupps vor Ort können die Grube räumen, der Einsatz geht aber erst los, wenn genug Kräfte vor Ort sind. Ab 2024 soll ein Generalunternehmer das komplette Bergwerk verfüllen und zurückbauen. Der soll entsprechend ausgebildete Grubenwehrleute mitbringen. Dann müssen nur die ortskundigen Truppführer und Gerätewarte durch die BGE gestellt werden. Dann ist wieder eine komplette Grubenwehr vor Ort.

Hilmar Umbach: Der Unterschied von Grubenwehr und Werkfeuerwehr ist: Bin ich im Freien, zieht der Rauch nach oben weg. Bei der Grubenwehr ist das ganz anders. Da bleibt die Wärme, die Hitze im Bergwerk. Der Rauch bleibt, zieht durchs ganze Grubengebäude durch.

Nils Bialojahn: Bei allen Unterschieden können Grubenwehr und Werkfeuerwehr aber auch zusammenarbeiten. Wir haben auf der Schachtanlage Asse übertägig und untertägig zusammen geübt. Die Werkfeuerwehr ist dann mit nach unter Tage gefahren und hat die Dekontaminationsstelle für die Grubenwehr mit unterstützt.

Ingo Zipp: Unter ganz gewissen Auflagen und natürlich nur in Abstimmung mit der Einsatzleitung ist das sicher möglich. Aber es ist nach Bergrecht klar definiert, wer im Brandfall, bei Rettung von Menschenleben oder Erhaltung von Sachwerten zu rufen ist. Und das ist nun mal faktisch die Grubenwehr.

Zwei Feuerwehrleute in Schutzanzügen beim Löscheinsatz
Heißübung der Grubenwehr Konrad.
Die schwarzen Umrisse von zwei Personen vor einer Feuerfront
Die Grubenwehr kämpft in einer Übung gegen die Flammen.

Brandbekämpfung unter Tage

Zwei Personen in roten Anzügen und mit Helm uns Atemschutzmaske bergen in einem Schacht eine Person auf einer Trage
Bergwerk Gorleben: Übung der Grubenwehr, Verschüttetenrettung.

Wie genau funktioniert eigentlich die indirekte Brandbekämpfung unter Tage?

Jens Wehrmaker: Menschenrettung ist das A und O. Solange noch Menschen in der Nähe des Ereignisses vermutet werden, wird man immer versuchen, reinzugehen. Wenn es nur darum geht, Sachwerte zu erhalten, wenn klar ist, dass dort keine Personen mehr sind, dann wird die Strecke abgeschirmt, so dass kein Sauerstoff mehr reinkommen und das Feuer ausbrennen kann. Versuche haben gezeigt: Ein großer Radlader oder Muldenkipper mit einer Tonne Betriebsstoffen brennt ungefähr drei Stunden. Dann ist das Feuer wieder aus.

Peter Osbelt: Man kann mit den Wettertüren und den Dämmen die Strecken um den Brand gut abdichten. Bei großen Bränden kann ein starker Sog entstehen, dann kommt es zu einer Wetterumkehr. Da ist es immer besser beide Seiten abzudichten.

„Überhaupt die Fähigkeiten zu haben, anderen helfen zu können, ist mir extrem wichtig. Diese Fähigkeiten werden von Anfang an auf harte Proben gestellt. Wer den Gesundheitstest und die ersten Übungen unter schwerem Atemschutz besteht, ist wirklich etwas Besonderes.“
Portrait von einem Mann in roter Jacke und mit Helm in einem Waschraum
Peter Osbelt, 59 Jahre, Leiter Grubenwehr Morsleben & Gorleben

Problematische Brandquellen

Ein Radlader an einer Arbeitsstation unter Tage
Schachtanlage Asse: E-Lader an der Baustoffanlage auf der 720-m-Sohle.

Welche Brandquellen bereiten Probleme?

Ingo Zipp: Die Akkutechnik macht schon Probleme. Da hängen manchmal Gerät an Gerät, eine Mehrfachsteckdose und noch mehr Akkuladegeräte. Das ist eine enorme Brandlast, wenn 30 Akkus in einem Schrank lagern.

Ist das wirklich ein Problem?

Jens Wehrmaker: Über Tage hatten wir das schon, einmal ist ein Ladegerät abgeraucht. Das war kein riesiges Feuer, sondern das meiste war durch den Rauch und Ruß in Mitleidenschaft gezogen.

Ingo Zipp: Deswegen treiben wir den konstruktiven Brandschutz voran. Ein Ladeschrank hat eingebaute Brandmelder mit einer elektrischen Abschaltung, sobald ein Feuer erkannt wird. Werden es über 70 Grad im Schrank, dann macht er den Schrank zu. Für 45 Minuten gibt es auf CO2 Basis eine Löscheinrichtung, die das unterdrückt. Da geht es hin. Diese Technik entwickelt sich immer weiter.

Jens Wehrmaker: Dann kommt ja auch noch irgendwann das Thema Elektrofahrzeuge.

Peter Osbelt: Nicht irgendwann!

Ingo Zipp: Die sind jetzt schon präsent. Das ist tatsächlich meine größte Sorge!

Jens Wehrmaker: Die kann man nur mit Wasser kühlen und wenn ich kein Wasser habe, dann ...

Ingo Zipp: Über Tage gibt es Löschcontainer. Die Platzverhältnisse sind unter Tage gar nicht gegeben. Das heißt: Abbrennen lassen!

Aber ist das nicht gefährlich? Auch für die Grube?

Ingo Zipp: Hochgradig!

Andreas Berger: Die Frage ist, welche Akkus unter Tage zugelassen werden. Das ist der entscheidende Punkt. Die jetzigen Lithium-Ionen-Akkus haben die Brandtests bestanden. Wir erwarten deshalb auch bald eine Zulassung unter Tage.

Peter Osbelt: Wir beschaffen gerade zwei Elektrofahrzeuge. Deswegen müssen wir die Notfallstrategie anpassen. Wir werden unter Tage eine Wasserlogistik aufbauen.

Selbstschutz hat Priorität

Bei einer möglichen Kontaminationsgefahr: Geht die Schnelligkeit vor oder müssen die Wehrleute immer erst einen Anzug überziehen, bevor es weitergeht?

Alle: Ja, absolute Priorität auf Selbstschutz.

Wird das auch in der Praxis immer so gelebt?

Jens Wehrmaker: Ja, das muss auch so sein. Es finden ja auch Überprüfungen statt, bevor ich ein Atemschutzgerät in Betrieb nehme. Sonst setze ich mein eigenes Leben oder das meiner Kameraden aufs Spiel. Wenn jemand eine gesundheitliche Einschränkung hat, sich nicht wohl fühlt oder ein Gerät nicht zu 100 Prozent funktioniert, dann ist das ein klares Abbruchkriterium für alle. In dem Moment drehen alle um und gehen wieder zurück. Rettung findet dann nicht statt.

Man geht also nicht allein zurück?

Jens Wehrmaker: Nein, nein! Wir gehen zusammen rein und wir gehen zusammen raus. Wenn irgendwas während des Anmarschweges passiert, dann drehen geschlossen wieder um. Da wird keiner alleine gelassen, nirgendwo!

Peter Osbelt: Und der schlimmste Fall ist: Jemand, der mit gutem Willen retten will, legt die Schutzkleidung nicht an und wird dadurch auch zum Rettungsfall.

Aber auch nach einem Einsatz kann es sein, dass die Kamerad*innen Hilfe brauchen? Wie steht es mit psychologischer Unterstützung?

Peter Osbelt: Das ist auf jeden Fall ein Thema. Schlimmstenfalls muss jemand geborgen werden. Das ist eine unserer schwierigsten Aufgaben, die wir übernehmen müssen. Da ist eine psychologische Betreuung sinnvoll. Das wird zum Glück im Unternehmen angeboten. Bei uns ist jemand im Büro verstorben. Zwei Mann haben vergeblich versucht, den Kollegen wieder zu beleben. Da war es sehr gut, dass es das Angebot psychologischer Hilfe gibt. Sprechen hilft.

Jens Wehrmaker: Wir haben die Möglichkeit, über die Leitstelle der Berufsfeuerwehr Salzgitter oder der Stadt Salzgitter Notfallseelsorger anzufordern. Der kommt direkt zur Einsatzstelle. Als wir einen tödlich verletzten Kollegen bergen mussten – da muss man hinterher einfach drüber reden!

Andreas Berger: Die Problematik hatten wir bisher nicht. Aber die Möglichkeit besteht natürlich bei einer Feuerwehr immer. Man kann auch die Seelsorger vom Landkreis alarmieren. Aber solange es einen nicht betrifft, schieben wir es wahrscheinlich von uns weg.

Ingo Zipp: Jeder verarbeitet das anders – genau wie im normalen Leben. Der eine möchte reden, der andere geht einen trinken, der nächste schweigt.  

Also das Angebot ist sinnvoll?

Jens Wehrmaker: Keiner wird alleine gelassen. Das mindeste ist, dass man sich nach dem Einsatz oder am nächsten Tag trifft. Seine Ausrüstung wieder auf Vordermann bringt und darüber redet. Nach einer Totenbergung waren wir natürlich erst einmal froh, dass der Einsatz vorbei war. Am nächsten Tag haben wir unsere Sachen zusam­mengepackt, unsere Ausrüstung gereinigt und geredet. Was da passiert ist und was wir hätten machen können. Wie schon gesagt, die einen wollen reden, die anderen nicht. Das wird ja auch nicht leichter, nur, weil man es öfter gesehen hat. Man verarbeitet nur schneller.

Und was war für Sie das schönste, prägendste Erlebnis in Ihrer Zeit in der Wehr?

Peter Osbelt: Wir hatten letztes Jahr einen Einsatz, Samstag um 22 Uhr etwa kam der Alarm. Da sind 15 Grubenwehrkameraden auf der Anlage erschienen, obwohl das deutsche Pokalendspiel war. Wir haben das Problem dann schnell in den Griff gekriegt. Der Adrenalinspiegel ist bei einem echten Einsatz ganz anders. Der Puls geht hoch. Wenn dann alles funktioniert und ineinandergreift, das ist ein schönes Gefühl. Man merkt: Dafür machst du das!

Jens Wehrmaker: Bei einer Alarmübung steht man ja so ein bisschen als Beobachter daneben. Wenn man sieht, das alle Zahnräder ineinandergreifen, dass das so funktioniert wie es funktionieren soll - das ist eine gewisse Genugtuung. Wenn es an so einem Tag alles funktioniert, ist man schon ein bisschen stolz auf die Arbeit, die man das ganze Jahr mit den Jungs da gemacht hat!


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