Radioaktive Abfälle

Mengen, Arten, Endlagerung

von Annette Beutler Übersicht

Deutschland wird in den kommenden Jahrzehnten große Mengen Atommüll entsorgen müssen. Wohin die Abfälle gehen sollen, regelt ein Nationales Entsorgungsprogramm.

Deutschland hat im April 2023 den Ausstieg aus der Atomkraft vollzogen. Beim Rückbau der Atomanlagen fallen erhebliche Mengen radioaktiver Abfälle an – verstrahlter Schutt, Bauteile, Brennelemente. Jeder Reaktorblock verursacht rund 5000 Kubikmeter radioaktive Abfälle.

Was mit dem vorhandenen und künftig noch entstehenden Atommüll passieren soll, legt die Bundesregierung in einem Nationalen Entsorgungsprogramm (NaPro) (externer Link) fest. Dieses Programm wird alle drei Jahre aktualisiert.

Wichtigste Unterscheidung: Es gibt Wärme entwickelnden radioaktiven Abfall, etwa aus den Brennelementen der Kraftwerke und aus der Wiederaufarbeitung. Und es gibt Atommüll mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung. Das können neben verstrahlten Bauteilen zum Beispiel Abfälle aus Kliniken, aus Industrie und Forschung sein. Zu den Abfällen mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung zählen die schwachradioaktiven und ein Großteil der mittelradioaktiven Abfälle.

Je nachdem, wie hoch die Radioaktivität der Abfälle ist und wie viel Wärme sie abgeben, werden sie behandelt, gelagert und entsorgt.

Was ist Radioaktivität?

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Unterschiedliche Strahlen

Radioaktivität ist eine Eigenschaft von instabilen Atomen, also kleinsten Teilchen von Materialien, die sehr schnell oder über viele Jahrtausende hinweg zerfallen. Die Zeit, die benötigt wird, bis die Hälfte des Stoffes zerfallen ist, wird Halbwertszeit genannt.

Es gibt drei Arten von Strahlen: Alpha-Strahlung, das sind relativ schwere Teilchen, die schon von einem Blatt Papier aufgehalten werden könnten. Allerdings sind sie die gefährlichsten, wenn die Stoffe verschluckt oder anderweitig in den Körper eingebaut werden, weil sie dann im Körper weiter strahlen. Die Strahlung kann die Gene verändern und Krankheiten wie Krebs auslösen.

Beta-Strahlung besteht aus kleineren Teilchen, die sich schneller bewegen, und vor denen sich Menschen durch Abstand und eine Abschirmung schützen können. Gamma-Strahlung durchdringt viele Materialien, lässt sich aber beispielsweise durch Blei sicher abschirmen. Wie Strahlung sich genau auswirkt, ist bei jedem Menschen ein wenig anders. Deshalb verlangt das Strahlenschutzgesetz ein Minimierungsgebot für menschengemachte Strahlung. Darüber hinaus gibt es Grenzwerte, die für alle Menschen gelten und spezielle Grenzwerte, die für diejenigen gelten, die professionell mit radioaktiven Stoffen zu tun haben.

Mengenangaben

Die Hinterlassenschaften des Atomzeitalters stapeln sich bereits heute. In Deutschland lagern inzwischen rund 120.000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktiver Müll. Bis zum Jahr 2080 rechnen die Experten der Bundesregierung mit rund 600.000 Kubikmeter. Zum Vergleich: Das entspricht 9.000 randvoll gefüllten Übersee-Containern. Dazu kommen etwa 27.000 Kubikmeter hochradioaktiver Abfall aus Brennelementen.

Insgesamt ist das viel mehr, als noch vor wenigen Jahren angenommen. Das liegt daran, dass nun auch die Abfälle aus der Urananreicherung als Müll gelten und nicht mehr als Wertstoffe, die noch genutzt werden können. Außerdem handelt es sich bei den Mengen aus der Asse um eine Maximalschätzung, falls eine Bergung überhaupt möglich ist. Die Bundesregierung rechnet hier großzügig um auf der sicheren Seite zu sein.

Blick durch ein Tor. Dahinter stehen gestapelte Container mit Atommüll.
© BGZ
Konrad-Abfälle im Zwischenlager Ahaus

Die erwarteten 600.000 Kubikmeter setzen sich zusammen aus:

  • 300.000 Kubikmeter Abfall aus Betrieb und Rückbau der Kernkraftwerke und aus Industrie, Forschung und Medizin
  • 200.000 Kubikmeter zurückgeholter Müll aus dem maroden Bergwerk Asse
  • 100.000 Kubikmeter Rückstände aus der Urananreicherung

Die Endlagerfrage

Deutschland ist für seinen Atommüll selbst verantwortlich – ein Export ins Ausland ist nicht erlaubt. Alle Arten radioaktiven Mülls sollen in tiefen Gesteinsschichten eingelagert werden. In Frage kommen für die hochradioaktiven Abfälle als sogenannte Wirtsgesteine Steinsalz, Tongestein und Kristallin, beispielsweise Granit.

Die Bundesregierung plant mit zwei verschiedenen Endlager-Arten: Das Endlager Konrad für schwach- und mittelradioaktive Abfälle wird zurzeit in Salzgitter (Niedersachsen) gebaut. Dort werden jedoch nicht alle schwach- und mittelradioaktiven Abfälle unterkommen. Deshalb wird für die rückgeholten Asse-Abfälle und die Überreste aus der Brennelemente-Herstellung nach einem weiteren Standort für ein entsprechendes Endlager gesucht.

Zudem ist ein Endlager für hochradioaktiven und Wärme entwickelnden Müll geplant. Wo? Das wird zurzeit mit einem transparenten Suchverfahren nach dem neuen Standortauswahlgesetz ermittelt.

Dieses zweite Endlager soll ausreichend groß konzipiert werden: neben den bestrahlten Brennelementen wird es auch die Abfälle aus der Wiederaufarbeitung aufnehmen. Ebenso könnten hier, wenn es möglich ist, die zurück geholten Abfälle aus der Schachtanlage Asse und der Müll aus der Urananreicherung Platz finden.

Das bestehende, von der DDR eingerichtete Endlager Morsleben (Sachsen-Anhalt) kann keinen weiteren Müll aufnehmen. Es soll stillgelegt und langfristig sicher verschlossen werden.

Standortauswahl in 90 Sekunden

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Oberirdische Zwischenlager

Bis die Endlager bereit sind, lagern die Abfälle in Zwischenlagern in ganz Deutschland (externer Link), dezentral an den Kraftwerkstandorten. Außerdem gibt es die zentralen Zwischenlager in Gorleben (Niedersachsen), Ahaus (Nordrhein-Westfalen) und Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern) und Mitterteich (Bayern). Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung lagern in Sammelstellen der Bundesländer. Dazu kommen die Zwischenlager der Forschungseinrichtungen. Die Betriebsgenehmigungen der Zwischenlager sind auf 40 Jahre ausgelegt. Die ersten Genehmigungen laufen Mitte der 2030er Jahre aus.

Kapazitäten für Zwischenlager gibt es in Deutschland ausreichend. Dennoch sollen, so das Ziel, die Kernkraftwerke zeitlich abgestimmt so abgebaut werden, dass die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle direkt ins Endlager Konrad gebracht werden können.

Vom Zwischenlager ins Endlager

Deutschlandkarte, in der die Zwischenlagerstandorte für wärmeentwickelnde radioaktive Abfälle und solche mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung verzeichnet sind.

Das Endlager Konrad zu befüllen, wird eine komplexe Aufgabe. Es gibt verschiedene Herausforderungen:

Weitere Restriktionen

  • Die Abfälle sollen endlagerbereit zusammengestellt angeliefert werden, zudem zeitlich und mengenmäßig so, dass keine längere Lagerhaltung vor Ort nötig ist. Auf dem Betriebsgelände wäre eine Lagerung über ein kleines Pufferlager hinaus auch nicht unterzubringen.
  • Jede Abfallbehälter-Gruppe muss, bevor sie endgelagert wird, insgesamt eine Vielzahl an Vorgaben erfüllen – Messwerte, rechtliche und technische Auflagen. Das kontrolliert der Bereich Produktkontrolle der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) (externer Link), die das Endlager Konrad baut und betreiben wird. Es ist daher nötig, dass die Abfallbehälter vor der Einlagerung optimiert angeordnet werden können. Dazu braucht es Platz, der in vielen Zwischenlagern fehlt.
  • Außerdem soll die BGE einen Teil der Bau-Verzögerung des Lagers Konrad (externer Link) durch eine schnellere Einlieferungszeit im Zwei-Schicht-Betrieb ausgleichen
Container in einer großen Lagerhalle
© BGZ
Container mit radioaktiven Abfällen in Ahaus

Logistikzentrum Konrad

Für einen zügigen, reibungslosen Einlagerungsbetrieb ins Endlager plant die Bundesregierung daher ein neues, zentrales Logistikzentrum (externer Link) zu bauen. Hier sollen Abfallbehälter-Gruppen für das Endlager Konrad aus den deutschlandweit verteilten Zwischenlagern mit ausreichend zeitlichem Vorlauf angeliefert und endlagerbereit zusammengestellt werden.

Die BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung ist für Standortsuche, Planung und Bau dieses Lagers verantwortlich. Als Standort hat die BGZ im Frühjahr 2020 das Kraftwerksgelände des ehemaligen Atomkraftwerks Würgassen im Dreiländereck von Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen vorgeschlagen. Der Standort verfügt bereits über einen Gleisanschluss, über den ein Großteil der Transporte abgewickelt werden soll.


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