Alles muss raus – aber wohin?

Asse

von Alexander Stirn Artikel

Rund 126 000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen sollen raus aus der Asse. Doch wo die Abfälle eine neue Ruhestätte finden werden, ist noch unklar. Sicher ist nur: Das Endlager Konrad wird es nicht werden, denn dafür ist es nicht genehmigt. Doch ein anderes Endlager, in dem zukünftig radioaktive Abfälle eingelagert werden können, gibt es in Deutschland noch nicht. Es bleibt nur eines übrig: Die zurückgeholten radioaktiven Abfälle müssen zwischengelagert werden.

Seit mehr als zehn Jahren wird diskutiert, wo der beste Standort für ein solches Zwischenlager ist. Assenah sagen die einen, assefern die anderen. Mindestens einen Vergleich von assenahen und assefernen Standorten müsse es geben, fordern Dritte.

Abfallbehandlung und Zwischenlagerung sind derzeit die bestimmenden Themen, wenn es um die Schachtanlage Asse II geht. Neben der Standortfrage gerät häufig aus dem Blick, worum es eigentlich geht. Was passiert in einer Abfallbehandlungsanlage, und wie sieht ein Zwischenlager überhaupt aus?

Abfallreinigung

Person in weißem Schutzanzug
Aus viel muss wenig werden: Komprimierbare Abfälle landen in besonders dünnwandigen Fässern. Diese werden später zu Scheiben zusammengepresst.

Im Norden Mecklenburg-Vorpommerns werden solche Anlagen bereits betrieben. In Lubmin bei Greifswald stand eines von zwei Kernkraftwerken der DDR. 1973 begann der Probebetrieb, 1974 ging das Kraftwerk Greifswald ans Netz. Im Zuge der Wiedervereinigung wurde es abgeschaltet und 1995 endgültig stillgelegt. Heute ist die Entsorgungswerk für Nuklearanlagen GmbH (EWN) für den Rückbau der Kernkraftwerke der DDR zuständig. Vor Ort betreibt sie dafür eine Zentrale Aktive Werkstatt (ZAW) und das Zwischenlager Nord.

Der Rückbau eines Kernkraftwerkes ist nicht vergleichbar mit der Rückholung der radioaktiven Abfälle aus der Schachtanlage Asse II. „Während es in der Asse darum gehen wird, die zurückgeholten radioaktiven Abfälle so zu beschreiben und zu verpacken, dass sie sicher gelagert werden können, geht es bei uns erst einmal darum, den strahlenden vom nicht strahlenden Müll zu trennen“, sagt Kurt Radloff, verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit bei der EWN.

Vor den Schleusentoren der ZAW landen sämtliche schwach- und mittelradioaktiven Metallabfälle aus dem Abriss des Greifswalder Kraftwerkes sowie des zweiten ehemaligen DDR-Atommeilers im brandenburgischen Rheinsberg. Sie sind kontaminiert, wie die Nukleartechniker*innen sagen: An ihren Oberflächen haften radioaktive Verunreinigungen – wobei diese durchaus tief sitzen können. Mit einmal abstauben ist es jedenfalls nicht getan. Bevor die Abfälle konditioniert werden, werden sie so gut es geht gereinigt. Am Ende soll nur der strahlende Rest der Rohre, Zahnräder und Armaturen verpackt werden müssen.

Mit einem Druck von bis zu sieben Bar feuern dazu Arbeiter*innen in der ZAW Hartgussgranulat auf kontaminierte Metallteile, eine Art Stahlschrot. So lange, bis das Metall blitzblank glänzt. Nebenan kommen Hochdruckreiniger zum Einsatz, die alle Terrassenbesitzer*innen neidvoll aufstöhnen lassen dürften. Mit einem Druck von bis zu 3000 Bar entfernen die Wasserstrahlen kontaminierte Lackschichten. Auch ein Bad mit 60-prozentiger Phosphorsäure und eine Elektrowanne, in der Ströme mit 2000 Ampere Verunreinigungen lösen, stehen bereit.

Auf dem Weg zum Freimessen

Nach diversen Sonderbehandlungen muss der Müll ein paar Hundert Meter weiter, in eine andere Halle. Freimessanlage heißt diese im EWN-Jargon. In ihr stehen zwei Apparaturen, die an Scanner erinnern, die in Flughäfen das Sperrgepäck durchleuchten. Die Geräte sind mit Beton ummantelt, ein Förderband führt hinein. Mindestens 30 Sekunden lang muss der Abfall darin stehen. Wird währenddessen keine nennenswerte Radioaktivität mehr gemessen, ist der Müll entlassen. Es geht zum Schrotthändler oder – bei anderen Abfällen – auf die Deponie.

Nicht immer macht die Freimessanlage den Weg frei. Dann heißt es: zurück ins Lager und warten, bis die Radioaktivität durch den natürlichen Zerfall abgeklungen ist. Oder noch mal säubern.

Bei den Abfällen in der Schachtanlage Asse II handelt es sich um den strahlenden Rest aus früheren Zeiten. Eine aufwendige Behandlung, um den strahlenden Müll zu reduzieren, ist nicht möglich. „Wenn wir die Abfälle wieder an die Tagesoberfläche gebracht haben, werden wir die Abfälle untersuchen, um zu schauen, welche radioaktiven Stoffe enthalten sind und ob sich auch Kernbrennstoffe darin befinden. Dies nennen wir Charakterisierung“, sagt Dirk Laske, Leiter der Abteilung Rückholung bei der BGE. Nach der Charakterisierung werden die Abfälle konditioniert, das heißt sicher verpackt.

Nur 50 Meter entfernt von der ZAW steht in Lubmin das Zwischenlager Nord. Eine Lagerhalle aus rotem Backstein und blauem Wellblech: Von außen erinnert nichts an ihren strahlenden Inhalt. Innen beginnen jedoch die Gemeinsamkeiten mit der Schachtanlage Asse II. Hier wird strahlender Müll sicher verpackt.

Bild mit Arbeiter mit Fernbedienung
Die Fässer mit den schwach- und mittelradioaktiven Abfällen landen in Stahlcontainern.
Auf den ersten Blick liegt es nahe, das Zwischenlager möglichst dort zu errichten, wo auch die Abfälle anfallen

„In den sogenannten Caissons können wir verschiedene Verfahren der Konditionierung umsetzen. Dazu gehören unter anderem das Verdampfen von Flüssigkeiten und das Verpressen zur Volumenreduzierung“, sagt Kurt Radloff. Verfahren, die künftig auch bei der Konditionierung in der Schachtanlage Asse II angewendet werden können. „Caisson 2a“ steht an der Tür, die in Lubmin zum Vorraum einer ganz besonderen Müllpresse führt. In einem Trichter sammeln sich dort gerade weiße Überzieher und ein paar Plastikhandschuhe. Hier werden allerlei Abfälle vorsortiert und in spezielle dünnwandige Fässer gefüllt. Diese werden nun im nächsten Schritt in einer 1200-Tonnen-Presse derart unter Druck gesetzt, dass am Ende eine handliche, kreisrunde Scheibe übrig bleibt – mit genau den richtigen Abmessungen, sodass diese Scheiben wiederum in eines der gelben Fässer gelegt werden können, die überall herumstehen. Mehrere Scheiben passen übereinander in ein Fass.

Zwischenlagerung

Die Fässer schweben unter einem Kran in einen größeren Container. Die Container werden gegebenenfalls mit Beton aufgefüllt. Andere haben sogar eine Doppelwand, die ebenfalls mit Beton ausgegossen werden kann. Sie gleichen den Kisten, in die in Zukunft auch die Abfälle aus der Asse gesteckt werden. Sind die Abfälle sicher verpackt, gelangen sie in den Bereich der eigentlichen Zwischenlagerung. Auf rund 20 000 Quadratmetern stapeln sich blaue, gelbe und graue Container. Der Bereich ist in acht Lagerhallen aufgeteilt, die durch eine Verladehalle miteinander verbunden sind. Während in den Hallen 1 bis 7 radioaktive Reststoffe und Abfälle lagern, stehen in Halle 8 Castorbehälter mit Kernbrennstoffen. Ruhig ist es hier. Neonröhren tauchen die Szenerie in ein fahles, kaltweißes Licht.

Bild mit Containern ohne Person
Die Stahlcontainer für die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle.
Bild mit Person in Blaumann und Beton
Nachdem die Container mit Beton ausgegossen wurden, sind die Abfälle "endlagerfähig".

Die Anlage wird wie ein Kernkraftwerk überwacht. Selbst die Abluft wird gefiltert und kontinuierlich kontrolliert. Das wird auch bei der Asse geschehen. „Im Endeffekt geht es bei den Messungen darum, welche radioaktiven Stoffe freigesetzt werden und wie sich diese Stoffe in der Umgebung niederschlagen“, sagt BGE-Abteilungsleiter Laske.

Auch in Lubmin stellt sich allerdings eine Standortfrage. Hier lagern nicht nur Abfälle aus den Kernkraftwerken Greifswald und Rheinsberg. Im Zwischenlager Nord befinden sich auch die Landessammelstellen von Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Lange Zeit wurde das akzeptiert. Als jedoch im Jahr 2010 Atommüll aus westdeutschen Anlagen in den Osten gebracht wurde, war es vorbei mit dem Frieden.


Infografik Zukunft der Schachtanlage Asse 2

Der Autor

Alexander Stirn ist Physiker und arbeitet als freier Wissenschaftsjournalist in München.

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