KENFO-Chefin: "Die Atomenergie haben wir ausgeschlossen"

Interview

Im Interview mit Einblicke spricht die Chefin des KENFO Anja Mikus über die nachhaltige Anlage der Mittel des Entsorgungsfonds.

Einblicke: Frau Mikus, Sie haben einen Fonds zu verwalten, der viele Begehrlichkeiten weckt. Denn als Sie ihn übernommen haben, lagen da 24 Milliarden Euro drin. Eingezahlt von den Atomkraftwerksbetreibern, die mit dieser Summe ihre Verantwortung für die Entsorgung des Atommülls an den Staat abgegeben haben. Die Standortsuche für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle und der Ausbau des Endlagers für schwach- und mittelradioaktive Abfälle im Schacht Konrad werden beispielsweise aus diesem Fonds finanziert. Die Frage, die zum Start des Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung (KENFO) (externer Link), alle interessiert hat lautet: Wie bringen Sie so viel Geld im Finanzmarkt unter, ohne ihn komplett durcheinander zu bringen?

Portraitfoto von Anja Mikus
© AMikusnja
KENFO-Chefin Anja Mikus

Anja Mikus: 24 Milliarden Euro sind ein enorm großer Betrag. Ein solches Volumen kann nicht auf einen Schlag angelegt werden. Sowohl die Investmentzeitpunkte als auch die Anlageklassen werden breit gestreut. Wir haben einen Anlageplan entwickelt, nach dem das Vermögen über mehrere Jahre gestreckt investiert wird. Durch die systematische Verteilung der Einstiegszeitpunkte bleibt die Chance erhalten, günstigere Einstiegskurse zu nutzen. Das ist uns recht gut gelungen – gerade die Verwerfungen am Aktienmarkt im vergangenen Jahr haben geholfen, den „Mischeinstandspreis“ der Investments deutlich zu verbessern. Wir haben bis heute eine sehr ausgewogene Fondsstruktur aufgesetzt. Das Geld wird breit gestreut und sehr diversifiziert über viele Anlageklassen und Länder hinweg in unterschiedlichen Branchen, Institutionen, Unternehmen und Anlagestile investiert. Damit werden Klumpenrisiken weitgehend vermieden. Es gibt zudem einen nachhaltigen Kriterienkatalog für die Anlage des Geldes.

Voraussetzung für eine erfolgreiche Kapitalanlage ist natürlich: Man braucht ein Team, das diese Anforderungen beherrscht und über genug Erfahrung verfügt, um auch Risiken zu erkennen und zu managen. Insgesamt ist der KENFO für alle eine interessante Herausforderung. Ich kann die Erfahrungen, die ich in mehr als 30 Jahren als Portfoliomanagerin gesammelt habe, für diese Aufgabe sehr gut einbringen. Seit langer Zeit habe ich mich beruflich mit nachhaltigem Investieren beschäftigt. Dieser fachliche Hintergrund war für meine Aufgabe beim KENFO extrem hilfreich, denn wir haben von Anfang an Nachhaltigkeitskriterien in die Anlagestrategie integriert.

Der Großteil des KENFO-Teams kommt ebenfalls aus dem Finanzbereich. Wir haben gemeinsam eine renditeorientierte, solide Anlagestrategie entwickelt, bei der wir mit einer hohen Wahrscheinlichkeit damit rechnen können, dass das Portfolio über den Anlagehorizont von 80 Jahren die vorgegebene Zielrendite erwirtschaften kann.

Blick auf die Kosten

Einblicke: Wenn Sie auf die Kosten schauen, die wir verursachen, die in die BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung (externer Link) für die Aufbewahrung der radioaktiven Abfälle fließen und in die Behörde, das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) (externer Link), machen Sie sich dann Gedanken, dass wir womöglich mit unseren Aufgaben teurer werden könnten, als der Ertrag, den Sie erwirtschaften können?

Anja Mikus: Derzeit nicht. Mit Blick auf die Planung kommt alles ganz gut hin. Wir erwirtschaften sogar kurzfristig mehr, als angenommen. Aber das kommt vor allem durch die gute Entwicklung der Finanzmärkte. Man hat auch mal schlechtere Jahre. Die Annahmen der Planung müssen in regelmäßigen Abständen überprüft werden. Derzeit gehen wir von einer zu erreichenden Zielrendite aus, die im Jahr bei rund 3,9 Prozent liegt. Das ist viel bezogen auf ein Investmentumfeld, in dem es derzeit keine Zinsen gibt. Andererseits profitieren Substanzwerte wie Aktien enorm von den niedrigen Zinsen. Deshalb muss etwas mehr Risiko in Kauf genommen werden, um diese Rendite zu erzielen. Aber bisher hat das sehr ausgewogene Portfolio des KENFO – nicht nur bezogen auf Aktien – diese Herausforderungen gut verkraftet und erzielt eine sehr ordentliche Rendite auf die angelegten Beträge, zuletzt von mehr als 8% im Durchschnitt jährlich. Aktuelle Ängste sind also unangebracht. Es ist wichtig, mit einer langfristigen Perspektive auf die Aufgabe zu schauen und verhindern, dass kurzfristige Entwicklungen am Markt – wie beispielsweise die Corona-Pandemie – zu kurzfristigen Entscheidungen führen, die einen Strich durch die Rechnung machen. Das Portfolio muss nachhaltig dauerhaft die notwendigen Renditen bringen. Soviel zur Anlageseite. Auf der Verpflichtungseite ist es natürlich wichtig, dass sich Ihre Aufgaben nicht unkalkuliert extrem verteuern. Bis Ende 2021 werden wir vollinvestiert sein. Die verbleibende Liquidität liegt bei der Bundesbank. Um das Geld dort zu parken, müssen wir Negativzinsen von 0,5% bezahlen. Allerdings bestehen negative Renditen aktuell bei allen risikoarmen Anlageformen wie Staatsanleihen mit hoher Bonität. Bei der Bundesbank ist aber immer hin so, dass ihre Gewinne in den Staatshaushalt fließen. Insofern landet alles, was wir bisher an negativen Zinsen an die Bundesbank zahlen und gezahlt haben am Ende wieder im Bundeshaushalt. Es bleibt dem Steuerzahler und der Steuerzahlerin erhalten. Ein kleiner Trost.

Einblicke: Das ist unglaublich beruhigend zu hören, denn die Aufgaben ziehen sich noch etwas hin.

Anja Mikus: Eine regelmäßige Überprüfung der zukünftigen Verpflichtungen über längere Zeiträume schafft natürlich Transparenz und verbessert die Planbarkeit.

Nachhaltige Anlagestrategien

Einblicke: Ihre Anlagestrategie ist sehr breit, das haben Sie schon beschrieben. Wie definieren Sie Nachhaltigkeit für die Anlagen für den KENFO?

Anja Mikus: Wir beziehen die Nachhaltigkeit natürlich auf alle Kapitalanlagen. Denn wir haben per Gesetz den Auftrag, die Finanzierung sicher zu stellen und unsere Renditeziele zu erfüllen. Wir haben also definitiv keinen Förderauftrag – beispielsweise für erneuerbare Energien. Aber wir haben einen Nachhaltigkeitsansatz entwickelt, der nachweislich auch einen finanziellen Mehrwert liefert. Unser Nachhaltigkeitsansatz besteht aus mehreren Komponenten. Zum einen orientieren wir uns an internationalen Standards wie dem Global Compact der Vereinten Nationen (externer Link). Wer dieses Rahmenwerk konsequent und mit eigenen Ressourcen folgt, schließt schonmal die schwierigen Themen wie beispielsweise Kinderarbeit oder Korruption aus. Weitere internationale Standards sind die UN-Principles for Responsible Investment, also die Standards für verantwortungsvolles Investieren. Zudem orientieren wir uns an Nachhaltigkeitsratings, die Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung bewerten. Da orientieren wir uns am Nachhaltigkeitsrating der Unternehmen und schließen die 25 Prozent schlechtesten in jeder Branche dann immer aus. Damit hat man die Unternehmen mit dem größten Fehlverhalten aus dem Portfolio raus. Dann haben wir noch zentrale Ausschlüsse. Dazu gehört natürlich die Kernenergie. Kohle wird zur Unterstützung der Klimaziele der Bundesregierung ebenfalls ausgeschlossen. Wir wollten die Kohle ohnehin nicht im Portfolio, denn wir müssen ja nach vorne schauen und nicht rückwärts. Klima ist das große Zukunftsthema. Außerdem haben wir noch Fracking, Ölsande und Waffen ausgeschlossen.

Einblicke: Wer sitzt denn im Kuratorium und unterstützen die Sie auch beim Thema Nachhaltigkeit?

Anja Mikus: Im Kuratorium des KENFO sind zum einen alle im Parlament vertretenen Parteien vertreten sowie Vertreterinnen und Vertreter von Bundesfinanzministerium, Bundeswirtschaftsministerium und Bundesumweltministerium. Das Kuratorium hat Nachhaltigkeitsgrundsätze beschlossen und diese geben uns einen gewissen Rahmen für die Ausgestaltung der Details. Mit den ESG-Zielen (Environmental, Social, Governance/Umwelt, Soziales, Unternehmensführung) und dem Ziel, das Pariser Klimaabkommen einzuhalten, wurde ein Rahmen gesetzt. Und das hat uns Rückenwind gegeben. Über die Nachhaltigkeitskriterien haben wir einen Zusatzertrag durch bessere Performance erzielt, beispielsweise haben Unternehmen, die Fracking betreiben, im vergangenen Jahr extrem stark verloren. Für mich waren Rendite und Nachhaltigkeit noch nie ein Gegensatz. Langfristig ist es die Absicht der Gesellschaft, klimaneutral zu werden. Deshalb werden entsprechende „Preisschilder“ an die hohe Kohlenstoffintensität gehangen, was der Profitabilität schadet. Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Erfolg hängen voneinander ab. Wir sind deshalb unter anderem auch der Klimaallianz der Vereinten Nationen beigetreten, der Asset Owner Alliance (externer Link) für die Net-Zero-Ziele. Eine große Unterstützung haben die Mitglieder dieser Allianz für ihren Weg hin zur Klimaneutralität auch in einem Gespräch mit dem UN-Generalsekretär António Guterres erfahren.

Einblicke: Diese Strategie führt natürlich zu einer hohen Transparenz und macht Ihr Anlagekonzept auch ziemlich unangreifbar, oder?

Anja Mikus: Wir finden uns in diesem Kreis der großer Asset-Owner auch ganz gut aufgehoben. Dadurch gewinnen wir an Schlagkraft, das Klimaziel gemeinsam mit der Wirtschaft zu verfolgen. Wir werden nicht warten, bis wir 2050 Null Emissionen erreicht haben.

Einblicke: Das ist sehr motivierend, so perfekt unterstützt zu werden.

Anja Mikus: Perfekt ist es nie. Denn das Thema ist sehr dynamisch. Aber unser Ziel ist es, mit den Investitionen auch auf die Industrie Druck auszuüben, ihre Emissionen zu senken. Dort werden bereits enorme Anstrengungen unternommen. Der Ausschluss von Anlagen allein ist nicht so wirkungsvoll, als wenn man diejenigen auswählt, die am besten im Veränderungsprozess unterwegs sind. Das hat das viel mehr Wirkung, als in bestehende Solarparks zu investieren. Eine messbare Wirkung ist uns wichtig.

Einblicke: Was machen Sie denn, wenn in der neue Taxonomie der Europäischen Union für Geldanalagen die Atomenergie wieder reinkommt?

Anja Mikus: Wir haben die Atomenergie ausgeschlossen. Und dabei wird es auch bleiben, denn das ist unsere Präferenz. Investoren müssen eine eigene Meinung haben.

Das Gespräch führte Dagmar Dehmer


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