Ein Besuch in der Infostelle Morsleben

Morsleben

von Martin Reche Reportage

Bergwerk für Kali- und Steinsalzabbau, Ort für untertägige Rüstungsproduktion und Hähnchenmast, Zwischenlager für Giftmüll, Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle – das Endlager Morsleben hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Diese, aber auch Gegenwart und Zukunft des Endlagers können Besucher*innen der Infostelle Morsleben erleben.

Ein rundes Symbol mir 2 gekreuzten Hammer hängt hängt an einer Wand
Symbole am Förderturm des Endlagers Morsleben.

Sachsen-Anhalt, nur wenige Kilometer von der Landesgrenze zu Niedersachsen entfernt: Rund um die Gemeinde Ingersleben erstreckt sich eine ruhige Landschaft mit Feldern, Wäldern und leichten Hügeln. Auf den ersten Blick deutet nichts darauf hin, dass sich hier in der Gegend ein Atommüll-Endlager befindet.

Im Ortsteil Morsleben lagern in rund 500 Metern Tiefe fast 37.000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktive Abfälle. Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) hat vom Bund den Auftrag erhalten, das Endlager stillzulegen und unter Verbleib des Atommülls zu verschließen.

Wer mehr über die geplante Stilllegung, die radioaktiven Abfälle, das Endlager und seine bewegte Geschichte erfahren will, biegt von Autobahn 2 oder Bundesstraße 1 in Richtung Morsleben ab. Nach kurzer Fahrt taucht in der Landschaft der imposante Förderturm der Schachtanlage Bartensleben auf.

Vor dem Eingang wird klar: Hier lagern potenziell gesundheitsgefährdende Stoffe unter Tage. Warnschilder, Schleusensysteme und Zaunanlagen sichern das Gelände vor unbefugten Zutritten.

Die historische Ausstellung

Den ersten Anlaufpunkt für alle Besucher*innen bildet immer die Infostelle Morsleben, die sich in einem weißen Gebäude in Laufdistanz zum Betriebsgelände befindet. Dort informieren Mitarbeiter*innen der BGE, der Name legt es bereits nahe, die Öffentlichkeit über das Endlager. Die Infostelle Morsleben beherbergt zwei Ausstellungen: Eine historische und eine, welche die Gegenwart beleuchtet. Erstere erzählt die über 120-jährige Geschichte vom Bergbau bis hin zum Atommüll-Endlager in großformatigen Bildern, leicht verständlichen Texten, Multimedia-Installationen und historischen Fundstücken.

Dazu zählt etwa ein Teufkübel. Dieser übergroße „Metalleimer“ bringt ab 1897 das anfallende Erdreich beim Bau des Schachts Marie – dem Abteufen, wie die Bergleute sagen – an die Tagesoberfläche. Außerdem nutzen ihn die Bergleute anfangs als Förderkorb zum Transport von Baumaterial und Menschen – groß genug ist er. Die Vorstellung, in einem solchen Kübel in die Tiefe hinabgelassen zu werden, lässt aber den/die eine*n oder andere*n Betrachtende*n erschaudern.

Exponate wie ein altes Grubengeleucht aus den 1960er-Jahren oder Steckbretter zur Erfassung der Arbeitsleistung der Bergleute zeigen den Besucher*innen, mit welchen – teilweise sehr einfachen – Mitteln früher unter Tage gearbeitete wurde. Im direkten Vergleich pompös wirkt dagegen eine sehr gut erhaltene Uniform mit passendem Hut, die Bergleute zu feierlichen Anlässen trugen und die einen Blick ins Brauchtum der Bergleute eröffnet.

Eine Teufkübel steht in einem Ausstellungsraum
Links im Bild: Ein alter Teufkübel, mit dem Erdreich an die Tagesoberfläche gebracht wurde.

Rüstungsproduktion unter Tage

Die Infostelle Morsleben ist aber kein Ort purer Bergbauromantik, auch das macht die historische Ausstellung klar. So widmet sie dem wohl dunkelsten Kapitel der Geschichte des Endlagers viel Raum: Dabei geht es um die Nutzung des Salzbergwerks für die untertägige Rüstungsproduktion im zweiten Weltkrieg, bei der auch Zwangsarbeiter*innen eingesetzt wurden.

Ein separater Raum der Ausstellung begegnet diesem Kapitel mit einer Multimedia-Installation. Diese besteht aus einer Matrix. Hinter jeder Zelle verbirgt sich die Geschichte und das Schicksal von Zwangsarbeiter*innen. Die Texte, Fotos und Bilder hinter den Zellen werden im Wechsel ein- und wieder ausgeblendet, während eine ruhige Erzählerstimme einzelne Lebenskapitel vom Schicksal der Zwangsarbeiter*innen wiedergibt. Die Installation lädt zum Innehalten, Verweilen und Nachdenken ein. Ein Blick in die angegliederte Vitrine zeigt persönliche Gegenstände, die Zwangsarbeiter*innen in der Schachtanlage zurückgelassen haben.

Neben der Geschichte der Rüstungsproduktion und des Kali- und Steinsalzabbaus von 1898 bis 1969 in den Gruben Marie (Beendorf) und Bartensleben (Morsleben), die das heutige Endlager Morsleben bilden, beleuchtet die Infostelle in ihrer Ausstellung auch das Kapitel der untertägigen Hähnchenmast. Großformatige Fotos zeigen die unterirdischen Mastställe, in denen die Hühner zwischen 1959 bis 1984 gemästet wurden. Auch die Einlagerung von giftigen chemischen Abfällen in der Schachtanlage Marie von 1987 bis 1996 widmet die historische Ausstellung ein Kapitel.

Eine Buchdokument und eine Bilddokument in einer Ausstellungsvitrine.
Die Infostelle Morsleben informiert auch über die Rüstungsproduktion unter Tage während des zweiten Weltkriegs.

Gegenwarts-Ausstellung

Eine Dreidimensionales Model des Endlagers Morsleben
Das Endlager lässt sich in der Infostelle Morsleben auch per 3D-Modell erkunden.

Gegenüber der historischen Ausstellung wartet die Gegenwarts-Ausstellung auf die Besucher*innen der Infostelle Morsleben. Sie bietet unter anderem ein detailliertes 3D-Modell des Endlagers und der umliegenden Umgebung. Mit dem Modell lässt sich sowohl das obertägige Betriebsgelände als auch das Labyrinth aus Strecken unter Tage erkunden, die sich wie Adern durch das Erdreich ziehen. Es vermittelt einen guten Eindruck davon, wie weit sich die Strecken unter Tage verästeln und welche Dimensionen einzelne Abbaukammern besitzen.

Fast alle Hohlräume müssen für die Stilllegung des Endlagers unter Verbleib der radioaktiven Abfälle verfüllt werden – so lautet der Auftrag der BGE. Durch das Modell gewinnen die Besucher*innen einen bleibenden Eindruck, wie viel Arbeit die Stilllegung unter Verbleib der schwach- und mittelradioaktiven Abfälle für die Mitarbeiter*innen des Endlagers noch bereithält.

Eine zweite Möglichkeit, das Endlager direkt von der Infostelle aus zu erkunden, bieten die Mitarbeiter*innen der BGE mittels Virtual-Reality-Brillen (VR) an. Mit diesen tauchen Besucher*innen in die Tiefen des Bergwerks hinab und können dieses digital erkunden. Vor allem in Zeiten der Corona-Pandemie war das eine praktische Alternative zu den „echten“ Befahrungen des Bergwerks, welche die Infostelle ebenfalls anbietet – das Angebot ist aber immer auch abhängig von den aktuellen Corona-Vorgaben. Bei Interesse einer Befahrung bietet sich im Vorfeld die Kontaktaufnahme mit den Mitarbeiter*innen der Infostelle Morsleben an (externer Link).

Besuch unter Tage

Auch wenn die digitalen Befahrungen bereits einen guten und stimmungsvollen Eindruck der Welt unter Tage vermitteln, bietet eine tatsächliche Befahrung des Bergwerkes doch noch immer das authentischere Erlebnis. Das beginnt bei den Zulassungskontrollen am Werkstor, geht über das Anlegen der Grubenkluft über die Ausstattung mit Selbstretter sowie Grubenlampe, setzt sich über den salzigen Wind während der Fahrt im Förderkorb nach unter Tage fort und endet in den teils riesigen unterirdischen Hallen, die Bergleute über Jahrzehnte in das Salz getrieben haben.

Auch ein Besuch bei der Schutzheiligen der Bergleute, der Heiligen Barbara, steht auf dem Programm jeder Befahrung. Sie wacht in mehreren hundert Metern Tiefe in einem Schrein über die Sicherheit der Bergleute und Besucher*innen des Bergwerks.

Alte Werkzeuge und Bohrer zeigen in einer kleinen historischen Ausstellung unter Tage, was für ein Knochenjob die Salzgewinnung noch vor wenigen Jahrzehnten für die Bergleute war. Kein Vergleich zu den großen Maschinen, die sich heute durch das Gestein graben, um etwa Platz für Abdichtbauwerke zu schaffen.

Es sind teilweise spektakuläre Eindrücke, welche die Besucher*innen von unter Tage mitnehmen und rekapitulieren können, während der Förderkorb sie aus der salzigen Luft unter Tage wieder zurück an die Tagesoberfläche bringt – hier in Sachsen-Anhalt, nur wenige Kilometer von der Landesgrenze zu Niedersachsen entfernt.

Eine Statue der heiligen Barbara
Die heilige Barbara wacht in einem Schrein unter Tage über die Bergleute und Besucher*innen.

Videorundgang durch die Infostelle Morsleben

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