Unruhe am Schacht

von Hanna Gersmann Artikel

Im September übergaben Gegner*innen des Endlagers Konrad rund 21 000 Unterschriften an den niedersächsischen Umweltminister Olaf Lies. Es geht um nichts weniger als den Neustart der Standortsuche. Droht dem Endlager das Aus?

Vielleicht sollte US-Multimilliardär Bill Gates nach Niedersachsen reisen, auf der A 2 Richtung Braunschweig, entlang an Äckern, Wiesen, Industriebauten. Ziel: Salzgitter. Der Microsoft-Gründer wirbt weltweit für Atomkraft. Für ihn ist sie eine „saubere Energie“ wie Ökostrom. Er irrt. Nicht nur wegen Fukushima. Auch wegen der strahlenden Hinterlassenschaften. In Salzgitter, rund um den Schacht Konrad, zeigt sich das derzeit wie sonst kaum irgendwo.

Demonstrant*innen und Staat liefern sich zwar keine bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen wie etwa in Wackersdorf in den 1980er-Jahren. In Deutschland sind sich heute alle einig, dass die Atomkraft keine Zukunft hat, 2022 wird der letzte Atommeiler abgeschaltet. Aber die Abwicklung der Nukleartechnologie selbst ist ein Kraftakt. Sie bringt Regionen unter Druck – wie in Salzgitter, wo Unternehmen wie der Stahlkonzern Salzgitter AG oder Volkswagen ansässig sind und Landwirtschaft betrieben wird.

Dort wehren sich Bäuerinnen und Bauern, Gewerkschafter*innen, Kommunalpolitiker*innen, Umweltschützer*innen und Bürgerinitiativen dagegen, dass im Schacht Konrad, wo einst Eisenerz aus der Erde gebuddelt wurde, künftig der schwach- und mittelradioaktive Müll aus ganz Deutschland gelagert werden soll. Für die hochradioaktiven alten Atombrennstäbe wird indes noch ein Ort gesucht. Die Konrad-Gegner*innen sorgen sich um die Sicherheit, ihren Standort, die Umgebung. Sie haben sich zusammengetan im „Bündnis Salzgitter gegen KONRAD“ – und fordern einen Baustopp. Schicht im Schacht.

Die Bürgerinitiative „Arbeitsgemeinschaft Schacht KONRAD“ hat sich bereits 1987 gegründet. Der Streit währt seit Langem, erfährt in den vergangenen Monaten aber eine Neuerung. Anfang September, kurz vor der Bundestagswahl, fahren einige der Gegner*innen mit Treckern von Salzgitter nach Hannover. Dort, in der Landeshauptstadt, treffen sie auf die etwa 150 Demonstrant*innen, die auch gekommen sind. Sie stellen gelb angestrichene Ölfässer als Symbol für Atombehälter auf, hängen Protestplakate dazu. Dann übergeben sie rund 21 000 Unterschriften, die sie bundesweit gesammelt haben, an den niedersächsischen Umweltminister Olaf Lies. Die politische Demonstration soll die rechtliche Auseinandersetzung unterstützen, die die Umweltverbände BUND und NABU führen.


#Gameover nennen die Gegner*innen von Schacht Konrad ihre Kampagne

Diese haben beim Niedersächsischen Umweltministerium schon im Mai einen Antrag auf Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses – im Prinzip ist das die Baugenehmigung – für Schacht Konrad eingereicht. Sie und ihre Mitstreiter*innen fordern einen Neustart. Das heißt: eine wissenschaftlich basierte Standortsuche“. Sie verweisen dabei auf jene, die für das Endlager für hochradioaktiven Müll vorgesehen ist. Ende. Und aus. #Gameover nennen die Gegner*innen von Schacht Konrad ihre Kampagne. Gutachter*innen haben sich für sie über die Planungs- und Genehmigungsunterlagen gebeugt. Ihr Urteil: zu alt, nicht an den Stand von Wissenschaft und Technik angepasst. Heute nicht und auch damals schon nicht, als der Planfeststellungsbeschluss erging.


1982 wurde das später lange strittige Planfeststellungsverfahren für den Umbau des ehemaligen Bergwerks zum Endlager eingeleitet. 70 Behörden und Naturschutzverbände wurden um Stellungnahmen gebeten. Rund 290 000 Bürger*innen erhoben Einwendungen. Der Erörterungstermin zog sich über Monate und 75 Verhandlungstage. 2002 wurde Schacht Konrad dann als erstes Endlager der Bundesrepublik genehmigt. Klagen von Kommunen, Landkreisen, Kirchen und Privatpersonen dagegen scheiterten. In letzter Instanz gab das Bundesverwaltungsgericht 2007 grünes Licht. Seither wird gebaut.

Umweltminister Lies betonte bei der Entgegennahme der Unterschriften, er habe „absolut großen Respekt“ vor der Ausdauer, der Überzeugung und dem fairen Umgang miteinander. Er könne aber „nicht einfach entscheiden, da kommen Unterschriften, und wir machen etwas oder machen nichts“. Alles müsse fachlich und juristisch „sehr, sehr präzise und detailliert“ geprüft werden. Das werde länger als nur wenige Monate dauern.

Die BGE hat schon vor einigen Jahren Expert*innen beauftragt, die sicherheitstechnischen Anforderungen zu prüfen und gegebenenfalls Planungen und Bau anzupassen. Diese ÜsiKo, kurz für: Überprüfung der sicherheitstechnischen Anforderungen für das Endlager Konrad, läuft aktuell weiter. Im Umweltministerium Niedersachsen wird derweil der Antrag auf Widerruf der Baugenehmigung juristisch analysiert. „Eine Entscheidung, die zum Beispiel bedeuten würde, man hebt den Planfeststellungsbeschluss auf, auch die muss Rechtswirksamkeit erzielen, weil natürlich jemand anderes dagegen klagen wird“, meinte Lies.

Der Umweltminister versprach aber eines: „Bevor nicht alle Fragen abgearbeitet sind, darf auch nichts in Konrad eingelagert werden. Es werden keine Fakten geschaffen, selbst wenn jetzt weiter gebaut wird.“ Nach bisherigen Planungen soll Schacht Konrad ab 2027 über 300 000 Kubikmeter Atommüll aufnehmen. Sie sähen ein, dass die Prüfungen Zeit bräuchten, sagte Ursula Schönberger, die zu den Gegner*innen gehört. Nachlassen würden sie aber nicht. Auch nicht aufgeben – bis Schacht Konrad aufgegeben werde. Noch ist keine Ruhe am Schacht.



Die Autorin

Hanna Gersmann Berliner Journalistin beschäftigt sich unter anderem mit Fragen der Klima- und Energiepolitik.

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