Beim Nationalen Begleitgremium

03.12.2018 von Arno Frank Reportage

Einleitung

In Berlin tagt das Nationale Begleitgremium, in dem auch ganz normale Bürger in die Standortsuche für ein Endlager eingebunden sind. Zum Beispiel Lukas Fachtan, der offiziell als Vertreter der jungen Generation nominiert ist. Wir haben ihn auf eine Sitzung begleitet

Von Arno Frank, Fotos: Frank Schinksi


Wer weiß, wo das Gremium tagt, der kann einfach hereinspazieren in eine Sitzung. Freundlich wäre es, sich zuvor auf der Website zu akkreditieren, wirklich nötig ist das aber nicht. An diesem Tag im November treffen sich die Mitglieder im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin, am Schiffbauerdamm, im Zentrum der Macht. In unmittelbarer Nachbarschaft des Paul-Löbe-Hauses, wo in Ausschüssen die Gesetze beraten und des Reichstags, wo die Gesetze verabschiedet werden. Das Kanzleramt ist auch nicht weit.


Das Nationale Begleitgremium (NBG) (externer Link) hat die Aufgabe, das Standortauswahlverfahren für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle vermittelnd und unabhängig zu begleiten. Dabei soll es insbesondere die Umsetzung der Öffentlichkeitsbeteiligung begleiten mit dem Ziel, Transparenz und Vertrauen in das Standortauswahlverfahren zu schaffen.

Der Pförtner weist freundlich den Weg („Scharf links und dann nochmal links“) zum Sitzungssaal. Die Tür steht nicht offen, ist aber nicht abgeschlossen. Drinnen sitzen die 12 festen Mitglieder des Gremiums und die Besucher in teilweise drei Reihen um einen Konferenztisch. Hier sind Spezialisten unterschiedlicher Profession versammelt, um bei der Lösung eines sehr speziellen Problems zu helfen. Experten für Technikfolgenabschätzung und industrielle Fragen, Expertinnen für Ökologie und Umweltschutz, sachverständige Koryphäen mit politischer Vita. „Anerkannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens“, wie es im Gesetz steht. Die sich aber keineswegs als die „besseren Experten“ verstehen.


Mit Undercut-Frisur und gelben Sneakern in die Landesvertretung

Gerade diskutieren diese Menschen die Ergebnisse der „AG Jugendworkshop“. An der Stirnseite des Tisches meldet sich immer wieder ein junger Mann zu Wort, der sich nicht nur durch sein Alter von den übrigen Teilnehmern unterscheidet. Er trägt unter einem schwarzen Hemd ein gelbes T-Shirt, dazu gelbe Sneaker, die Haare hat er über seinem frischen Undercut zu einem winzigen Dutt gebunden.

Das ist Lukas Fachtan. Er „möchte noch einmal deutlich sagen“ oder „aus meiner Sicht an dieser Stelle anmerken“, dass es beispielsweise keine Obergrenze geben sollte für die Zahl der Jugendlichen, die sich an der Lösung des Problems beteiligen möchten.

Das Problem ist die Suche nach einem Endlager für hochgradig radioaktiven Abfall. In der Vergangenheit ist dieses Problem in Hinterzimmern „gelöst“ worden, beispielsweise mit dem Endlager in Gorleben, unter Ausschluss der Öffentlichkeit, von oben herab und über die Köpfe der Bevölkerung hinweg. Ähnliches gilt für die ehemalige Schachtanlage Asse bei Wolfenbüttel, die ursprünglich eine Forschungseinrichtung war, zuletzt aber als Endlager für 126.000 Fässer mit verstrahltem Müll genutzt wurde. Dann stellte sich heraus, dass der Berg nicht dicht und als Lager ungeeignet ist.


In der Vergangenheit ist dieses Problem in Hinterzimmern „gelöst“ worden, beispielsweise mit dem Endlager in Gorleben, unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit.

Diesem unhaltbaren Zustand sollte ein Ende gemacht und die Suche nach einem wirklich geeigneten Endlager auf solide wissenschaftliche und gesellschaftliche Beine gestellt werden. Zu diesem Zweck verabschiedete der Bundestag zunächst 2013 sowie, in veränderter Fassung, 2017 das „Gesetz zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle“, kurz „Standortauswahlgesetz“, noch kürzer: „StandAG“. Das Verfahren soll, so der Plan, 2031 abgeschlossen sein.


Die Menschen frühzeitig in die Entscheidungsfindung einbinden

In Paragraph 8 dieses Gesetzes heißt es: „Aufgabe des pluralistisch zusammengesetzten Nationalen Begleitgremiums ist die vermittelnde und unabhängige Begleitung des Standortauswahlverfahrens, insbesondere der Öffentlichkeitsbeteiligung, mit dem Ziel, so Vertrauen in die Verfahrensdurchführung zu ermöglichen.“ Umweltpolitiker Klaus Töpfer, Gründungsmitglied des Nationalen Begleitgremiums (NGB), brachte dessen Zweck auf den Punkt. Es gehe darum, „die Menschen frühzeitig in die Entscheidungsfindung einzubinden“. Neben den von Bundestag und Bundesrat für das Gremium ernannten Persönlichkeiten gibt es sechs „Bürgervertreter und -vertreterinnen“, ermittelt in einem komplizierten und mehrstufigen Auswahlverfahren.


„Ich bin zu Hause irgendwann angerufen worden“, erzählt Lukas Fachtan „und gefragt worden, ob ich interessiert wäre, an einem Verfahren zur Begleitung der Endlagersuche teilzunehmen“. Per Brief wurde er zu einem Forum eingeladen, aus dem Fachtan in ein Beratungsnetzwerk und von dort für das Nationale Begleitgremium ausgewählt wurde. Der dreistufige Prozess, zugleich ein Zufallsverfahren, um eine möglichst faire und gleichberechtigte Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger zu ermöglichen. Lukas Fachtan studiert Philosophie und Politikwissenschaften. Offiziell ist er als „Vertreter der jungen Generation“ nominiert.

Porträtbild Lukas Fachtan
© Jörg Brüggemann, OSTKREUZ
Lukas Fachtan nimmt die Sache mit der Vertretung sehr ernst, sagt er. Über sich persönlich will er lieber nicht so viel sagen. Er sieht sich hier vor allem als Repräsentanten „seiner“ Generation.

„Ich bin zu Hause irgendwann angerufen und gefragt worden, ob ich interessiert wäre, an einem Verfahren zur Begleitung der Endlagersuche teilzunehmen“

Die Sache mit der Vertretung nimmt der junge Mann sehr ernst. Er sagt, was man schon hört, dass er „aus Bayern“ kommt, ohne das weiter zu präzisieren. Seine Studienfächer sind bekannt, seine Universität möchte er ebenso wenig nennen wie sein genaues Alter. Sonderlich auskunftsfreudig ist er also nicht für ein Mitglied eines Gremiums, das unter anderem auch Öffentlichkeit herstellen, Vertrauen in das Verfahren wecken soll. Aber Fachtan sieht sich nicht als Privatperson, sondern als Repräsentant eben „seiner“ Generation.

Er sieht auch keine große Verbindung zwischen den im NBG erörterten Fragen und seinem Studium. Lukas Fachtan setzt sich gern mit Inhalten der „politischen Philosophie“ auseinander, als deren konkrete Umsetzung das Gremium verstanden werden kann. Praxis und Theorie, so Fachtan, sind miteinander verzahnt. Beide Beschäftigungen stünden in einer Wechselwirkung, „wie alles im Leben“, bei dem es sich um einen „Lernprozess“ handele.


Wie sieht eine Beteiligung aus, die den Namen auch verdient?

Auch dieser Aspekt passt gut zum Gremium, das selbst in seiner 22. Sitzung noch mit organisatorischen Details beschäftigt ist, von der „Berufung eines/r Partizipationsbeauftragten“ bis zur „Diskussion zur Rolle und zu möglichen Aktivitäten des NBG“. Wie die Voraussetzungen zu einer Beteiligung, die diesen Namen auch verdient, überhaupt aussehen kann, das muss auch hier erst gelernt werden.

Zu spüren ist diese tastende Grundhaltung auch in der Diskussion selbst. Manche Teilnehmer äußern die Befürchtung, „die Jugendlichen“ könnten zur Lösung der Endlagerfrage auch Szenarien vorschlagen, die von ausgewiesenen Fachleuten längst als unrealistisch verworfen wurden. Fachtan setzt sich mit seinem Einwand durch, das Ergebnis der Erörterungen einer „jungen Generation“ müsse „ergebnisoffen“ bleiben, unberührt von Vorgaben der älteren Generation.

Ob er seine Tätigkeit im Begleitgremium verlängern will, was zwei Mal möglich ist, bejaht er. „Was die Zukunft bringen wird, wird sich zeigen.“

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