„Ein völlig neues Modell“

Asse

30.10.2025 von Philipp Hauner Interview

Ein Gespräch mit Dr. Ralf Holländer über das neue 3D-Modell für die Asse. Für den Leiter der Abteilung Geowissenschaften der BGE ist das Modell ein wichtiges Instrument, um das Rückholbergwerk zu planen.

Das neue geologische Modell der Asse ist mit großem technischem Aufwand und auf Basis enormer Datenmengen entstanden. Was ist das Neue daran?
Es ist das erste vollräumliche Modell der Asse. Bisher haben wir mit 2D-Schnitten gearbeitet, also mit Querschnitten durch das Gebirge. Legt man mehrere solcher Schnitte hintereinander und verbindet sie, entsteht ein halbwegs räumliches Bild – aber eben mit großen Lücken dazwischen. Was sich in diesen Lücken befindet, konnten wir bisher nur schätzen. Nun haben wir ein Modell auf Basis einer vollständigen 3D-Seismik. Das heißt: Für jeden Punkt im Raum haben wir Informationen – mal bessere, mal schlechtere, aber sie sind vorhanden. Damit lassen sich geologische Grenzen horizontal wie vertikal viel besser nachvollziehen. Diese Vollständigkeit ist die eigentliche Neuerung – und die große Stärke des Modells.

Welche praktischen Funktionen erfüllt das Modell?
Es ist vor allem für die Planung des Rückholbergwerks entscheidend. So konnten wir etwa den bereits geplanten Ansatzpunkt des neuen Schachts anhand der neuen Daten überprüfen – und bestätigen. Das Rückholbergwerk selbst wird sich ja weit unter Tage erstrecken. Es ist wichtig, dass wir seine künftigen Hohlräume nicht einfach „auf der weißen Landkarte“ planen, sondern auf Basis der realen geologischen Strukturen. Das Modell zeigt nun genau, wo sich Problemzonen befinden – beispielsweise Anhydritschichten, die man meiden muss.

Warum ist das so?
Anhydrit ist, anders als Steinsalz, ein Gestein, das Klüfte und Risse – also Hohlräume – haben kann, in denen Salzlösungen gespeichert sein oder sich Fließwege für Lösungen bilden können. Man muss sich das wie größere Brocken und Bänder in den Salzschichten vorstellen, die wir nun dank der 3D-Seismik lokalisieren konnten.

Gab es auch Überraschungen bei der Auswertung?
Ja, einige: Im Bereich des Rückholbergwerks und des geplanten Schachts Asse 5 zeigen sich ganz andere geologische Bedingungen, als bis dahin ohne Erkundungsmaßnahmen angenommen wurden. Das sogenannte Kaliflöz, eine zentrale und mächtige Schicht im Bestandsbergwerk, das auch abgebaut wurde, ist in diesem Bereich nur noch ausgedünnt vorhanden. Ebenso das Staßfurt-Steinsalz, das ursprünglich für die Hohlräume des Rückholbergwerks vorgesehen war. Das ist eine fundamentale Erkenntnis, die zu Umplanungen geführt hat.

Wie geht es mit dem Modell weiter? Wird es irgendwann „fertig“ sein?
Ein geologisches Modell ist nie wirklich fertig. Es wird kontinuierlich dem wachsenden Kenntnisstand angepasst: Sobald wir neue, belastbare Erkenntnisse haben, geben wir sie an die Planerinnen und Planer weiter. Unser Modell hat nun jedoch einen Stand erreicht, mit dem wir gut arbeiten können. Besonders im Bereich des Rückholbergwerks sind wir schon sehr weit. Die ganz feinen Strukturen – etwa Verfaltungen im Zentimeterbereich – kann jedoch kein Modell der Welt abbilden.

Gibt es in Deutschland vergleichbare Modelle?
In dieser Form nicht. Es gibt natürlich andere Varianten der 3D-Seismik, etwa für Erdgaslagerstätten. Aber dort ist die Auflösung meist geringer und die Gebiete sind größer. Unser Modell ist sehr kompakt. Es kombiniert die geologischen Einheiten wie Deckgebirge und Untergrund der Asse mit der Lagerstätte selbst – und das in außergewöhnlicher Detailliertheit.

Was war für Sie die größte Herausforderung in diesem Projekt?
Die ganze 3D-Seismik, die Bohrungen und die Auswertung – das war eine immense Kraftanstrengung über Jahre. Viele Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichen Abteilungen sowie externe Dienstleister haben dazu beigetragen. Es war eine echte Gemeinschaftsleistung. Einen Salzstock in dieser Auflösung darzustellen, ist eine anspruchsvolle Leistung – und dem Anspruch der Aufgabe angemessen. Darauf können wir stolz sein.

An einem Schreibtisch mit zwei Bildschirmen sitzt ein Mann mit kurzen grauen Haaren. Er trägt ein weißes Hemd unter einem dunkelblauen Sakko und lehnt mit einem Ellbogen auf dem Tisch.
Dr. Ralf Holländer leitet die Abteilung Geowissenschaften bei der Bundesgesellschaft für Endlagerung
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