Umweltbaubegleitung

"Für die 3D-Seismik der Asse wurde kein einziger Baum gefällt"

Einleitung

Die 3D-Seismik der Asse ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Rückholung des Atommülls. Ein Freifahrtschein ist sie aber nicht. Vorsicht war während des Projekts geboten – zum Schutz von Tieren und Pflanzen. Wie das gelungen ist: ein Ortsbesuch.


Wenn Till Fröhlich seine Arbeit rund um das Atommülllager Asse II im Landkreis Wolfenbüttel gut macht, dann sieht man am Ende nichts davon. Dann wachsen Türkenbundlilie und Märzenbecher so schön und unberührt, wie sie es immer getan haben. Dann brüten Rotmilan und Grauspecht unbeeindruckt in ihren Nestern auf dem Asse-Höhenzug – als wäre nie etwas gewesen. Till Fröhlich arbeitet für das Ingenieurbüro für Umweltplanung Schmal + Ratzbor aus Lehrte, das die 3D-Seismik der Asse ökologisch begleitet hat. Fröhlich hat aufgepasst, dass Tiere und Pflanzen vor und während der 3D-seismischen Messungen nicht zu Schaden kommen.

Denn durch Felder und Wälder rund um die Schachtanlage Asse II sind in den Wintermonaten 2019/2020 Traktoren gerollt. Bohrtrupps haben rund 6000 Löcher in die Erde gestoßen, in denen später Sprengstoff gezündet wurde. Und 22 Tonnen schwere Vibrationsfahrzeuge haben an rund 30.000 Punkten den Boden unter sich durchgerüttelt. Das alles diente einem Zweck: der Rückholung der radioaktiven Abfälle aus der Asse (BGE Website, externer Link). Damit die gelingt, braucht es belastbare Daten zum Aufbau des Deckgebirges und zur geologischen Struktur des Höhenzugs.

3D-Seismik der Asse im Winter – kein Zufall

Während die Arbeiten für die 3D-Seismik laufen, kommt Fröhlich einmal die Woche in die Asse. Sein Tag startet dann in Wittmar. Dort befindet sich die Basisstation des Messtrupps. "Eigentlich wäre es gar nicht notwendig, so oft herzukommen, denn wir erhalten täglich Updates über den Arbeitsfortschritt", sagt der Diplom-Umweltwissenschaftler. "Aber wir haben uns auf diesen Rhythmus verständigt: Sicher ist sicher." Nach einer morgendlichen Lagebesprechung geht es für Fröhlich ins Gelände: kontrollieren, ob sich alle an die Vorgaben halten und alles nach Plan läuft. Gummistiefel mit Stahlkappen, dicke Socken, Regenhose, Regenjacke und Warnweste – das ist die Arbeitskleidung, die es hier draußen im Dezember braucht.

Dass die 3D-Seismik der Asse ausgerechnet im Winter stattfindet, ist für Fröhlich und das Mess-Team nicht immer angenehm, hat für die Natur aber klare Vorteile: "Das Zeitfenster, in dem die Arbeiten stattfinden, ist eine der wichtigsten Stellschrauben, wenn es um den Schutz von Tieren und Pflanzen geht", sagt Fröhlich. "Die Arbeiten finden ganz bewusst zwischen Oktober und März statt. So werden Brutzeit und Vegetationsperiode nicht beeinträchtigt." Um die Fristen einzuhalten, ist der Zeitplan eng getaktet. Und Fröhlich hat ihn immer im Blick. Denn die scheuen Waldbewohner etwa beim Nisten zu stören – das ist keine Option.

Ein Gebäude, vor dem Autos parken.
Die Basisstation des Messtrupps in Wittmar. Hier startet für Till Fröhlich von der ökologischen Baubegleitung der Tag, wenn er in der Asse ist.

Ökologische Baubegleitung

Die ökologische Baubegleitung, auch Umweltbaubegleitung genannt, achtet darauf, dass Umwelt- und Naturschutzbelange während eines Projekts ausreichend berücksichtigt werden. Von der Planung über die Umsetzung bis hin zur Nachkontrolle stellt sie zudem das Bindeglied zwischen den Beteiligten dar. Im Falle der 3D-Seismik der Asse sind das der Landkreis Wolfenbüttel mit seiner Unteren Naturschutzbehörde und das niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) als genehmigende sowie die BGE und von ihr beauftragte Subunternehmer als ausführende Organe.

Einige Bereiche der Asse im Messraster ausgespart

Ein Mann mit gelber Warnweste steht auf einem Waldweg
Diplom-Umweltwissenschaftler Till Fröhlich hat die 3D-Seismik der Asse aus ökologischer Sicht begleitet.

Ein Traktor ruckelt vorbei. Hinten drauf: Schweres Bohrgerät, mit dem bis zu 15 Meter tiefe Löcher ins Erdreich gestoßen werden. "Der biegt hier jetzt in die Rückegasse ein", erläutert Fröhlich. "Die Traktoren dürfen nämlich ausschließlich auf den forstwirtschaftlichen Wegen und Rückegassen fahren. Da wird auch für die 3D-Seismik keine Ausnahme gemacht." Ein Grund: die Asse ist zu großen Teilen Schutzgebiet mit zahlreichen seltenen und gefährdeten Arten. Abseits der Wege ist statt Motorkraft daher Muskelkraft gefordert. Wo Trecker nicht fahren dürfen, um dem Waldboden nicht zu schaden, oder nicht fahren können, weil schlicht Bäume im Weg stehen, müssen Handbohrgeräte von Bohrpunkt zu Bohrpunkt getragen werden. "Für die 3D-Seismik der Asse wurde kein einziger Baum gefällt", sagt Fröhlich. Ein Satz, der ihm wichtig ist.


„Da wird auch für die 3D-Seismik der Asse keine Ausnahme gemacht.“

"Die Asse ist vom Naturraum her sehr ungewöhnlich durch die vergleichsweise trocken-warmen Verhältnisse des Höhenzugs. Einige Bereiche wurden im Messraster sogar komplett ausgespart", erläutert der Umweltwissenschaftler. Gebiete, die besonders schutzwürdig sind, weil hier geschützte oder sogar vom Aussterben bedrohte Pflanzenarten wie das Immenblatt oder die Türkenbundlilie (NABU, externer Link) wachsen. Dort darf dann weder gebohrt noch gesprengt und erst recht nicht gerüttelt werden.


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Klare Regeln, um möglichst wenig Schaden anzurichten

Aber sind es nicht die Sprengungen, die den größten Schaden anrichten? Zwei Monate später: Ein dumpfer Knall – Puff. Die Laubdecke auf dem winterlichen Waldboden zuckt kurz. Ein paar Blätter rascheln. Das war's. Und genau so muss es ablaufen. Denn die Energie soll nach unten ins Erdreich gehen. An der Oberfläche ist schon Sekunden nach der Explosion nichts mehr zu sehen. "Aus Sicht der ökologischen Baubegleitung waren die Bohrungen, also die vorbereitenden Maßnahmen, das deutlich spannendere Thema", sagt Fröhlich. "Die Fahrzeuge, die die Bohrgeräte transportieren, haben nämlich das Potenzial, deutlich größeren Schaden anzurichten als eine Sprengung dieser Art."

Deshalb gibt es für sie klare Regeln: Ausschließlich forstwirtschaftliche Wege zu befahren ist eine. Eine andere ist Niederdruckbereifung. Die gilt übrigens auch für die Vibrationsfahrzeuge, die mit besonders breiten Reifen ausgestattet sind. Das Ziel: Druckverteilung, um den Boden möglichst wenig zu belasten. Denn wenn der zu sehr verdichtet wird, würde später nichts mehr darauf wachsen.

Kröten hätten in der Asse im Zweifel Vorfahrt gehabt

Viele Faktoren, die bei solch einem Projekt zu berücksichtigen, viele Punkte, die zu bedenken sind. Und im Rückblick – welcher ist der wichtigste? Fröhlich überlegt nicht lange: "Gute Planung im Vorfeld!" Und dann schiebt er nach: "Und ein bisschen Glück mit dem Wetter muss man schon auch haben." Denn hätte es beispielsweise durchgehend geregnet, hätten Bohrungen nicht stattfinden und die Vibrationsfahrzeuge nicht fahren können. "Dann wären wir womöglich in die Krötenwanderungszeit gekommen – und die Kröten hätten im Zweifel Vorfahrt vor den Vibrationsfahrzeugen gehabt." Sorgen, die sich Fröhlich nun aber nicht mehr machen muss. Denn die 3D-seismischen Messungen in der Asse sind abgeschlossen – früher als geplant. Ende März ist von den Bohrungen, den Sprengungen und den Vibrationsfahrzeugen rund um das Atommülllager Asse II kaum mehr etwas zu sehen.

In einem Wald ragen Rohre aus dem Boden. Daneben liegen weiße Säcke.
Die Bohrlöcher wurden temporär verrohrt, wenige Tage vor der geplanten Anregung mit Sprengstoff beladen, gesichert und mit Bentonit (in den weißen Säcken) verschlossen.

Die 3D-Seismik der Asse

Die 3D-seismischen Messungen sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Rückholung (BGE Website, externer Link) der radioaktiven Abfälle aus der Asse. Die Auswertung der Daten soll belastbare Informationen zum Aufbau des Deckgebirges und zur geologischen Struktur des Asse-Höhenzugs liefern. Das Messgebiet umfasst eine Fläche von rund 37 Quadratkilometern. Unterschieden wird dabei zwischen Anregungs- und Empfangspunkten. An den Anregungspunkten werden die seismischen Wellen mit Hilfe von kleinen Sprengungen in vorher gestoßenen Bohrlöchern oder durch Vibrationsfahrzeuge in den Untergrund gesandt. Dort werden sie von den verschiedenen Gesteinsschichten reflektiert und an den Empfangspunkten auf der Erdoberfläche mit Hilfe von Messgeräten, sogenannten Geophonen, registriert und gespeichert.

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