„So geht Demokratie“

Endlagersuche

03.11.2023 von Michael Prellberg Interview

Christoph Komoß und Arnjo Sittig vertreten die junge Generation im Nationalen Begleitgremium zur Suche nach einem Endlager für Atommüll. Wir wollten wissen, was die beiden antreibt.

Einblicke: Christoph Komoß und Arnjo Sittig, mal ganz grundsätzlich: Warum sollten sich junge Menschen engagieren?

Christoph Komoß: Wir als junge Generation erben eine Welt, in der – vorsichtig formuliert – nicht alles zum Besten steht. Wenn wir alles so weiterlaufen lassen, wird sich daran nichts ändern. Daher würde ich sagen: Junge Menschen sollten sich nicht nur, sie müssen sich engagieren, denn sie werden noch lange Zeit in dieser Welt leben. Und ich bin optimistisch, dass wir durch unser Engagement eine Menge werden bewegen können.

Arnjo Sittig: Mich hat – damals war ich noch Schüler – „Fridays for Future“ politisiert. Seitdem ist mir klar: Wir können nicht einfach so weitermachen, wir müssen etwas ändern an unseren Einstellungen und an unserem Verhalten. Für mich war das der Anlass, mich zu engagieren. Zuerst bei „Fridays for Future“, dann bei anderen Initiativen, jetzt auch im Nationalen Begleitgremium, dem NBG. Wie Christoph richtig sagt: Wir erben eine Welt, in der vieles schiefläuft. Die Folgen unseres westlichen Lebensstils sorgen für Krisen überall auf der Welt. Gleichzeitig merken wir in vielen Staaten rundherum, wie dort schrittweise die Demokratie ausgehöhlt wird. Gegen all diese Entwicklungen müssen wir etwas tun. Wir müssen uns engagieren, sonst sind wir tatsächlich die letzte Generation.

Porträtbild Christoph Komoß
Christoph Komoß (24) ist Raum­ausstattermeister. Er führt in Bremen in vierter ­Generation gemeinsam mit seiner Mutter ein Geschäft für Raumausstattung. Foto: Aygül Cizmecioglu

Einblicke: Wenn sich Aktivist*innen der „Letzten Generation“ auf Straßen kleben, erleben sie viel Widerspruch – aber auch Aufmerksamkeit. Ihr hingegen engagiert euch weitgehend abseits der öffentlichen Aufmerksamkeit als Bürgervertreter im NBG. Warum? 

Christoph Komoß: Ehrlich gesagt: Das ist Zufall. Von 170 000 stichprobenartig und zufällig ausgewählten Menschen, die zu einer zweitägigen Veranstaltung über die Endlagersuche nach Berlin eingeladen wurden, war ich offenbar einer der wenigen, die sich aufgeschlossen zeigten. Nach diesen beiden Tagen musste ich mir eingestehen: Mein Interesse war geweckt. Wie findet man ein Atommüllendlager? Das finde ich spannend, da will ich gern dabei sein. Es ist eine tolle Möglichkeit, sich bei so einem wichtigen Thema zu engagieren und aus seiner Komfortzone rauszukommen. Mich und meine Generation wird die Endlagerung vermutlich noch 60 bis 70 Jahre begleiten. Umso wichtiger ist es, sich hier einzubringen.

Arnjo Sittig: Bei mir war der Prozess genauso. Ich wurde zufällig ausgewählt und habe mir gedacht: „Ach ja, ein Wochenende in Berlin, nicht schlecht.“ Von der Endlagersuche wusste ich damals absolut nichts. Bis heute muss ich sagen: Die Ergebnisse der Suche interessieren mich weniger als der Prozess, mit dem sie begleitet wird. Das Nationale Begleitgremium ist schon sehr besonders: Unsere Aufgabe besteht darin, darauf zu achten, dass alle Prozesse bei der Endlagersuche transparent und nachvollziehbar ablaufen. Das ist schon ein sehr demokratisches Moment: So geht Demokratie!

Porträtbild Arnjo Sittig
Arnjo Sittig (21) hat gerade seinen Bachelor in Politikwissenschaften gemacht. Im Wintersemester beginnt er an der TU Chemnitz sein Studium der Soziologie.

Einblicke: Könnt ihr durch dieses Engagement auch Interesse an der Endlagersuche bei eurer Familie, in eurem Freundes- und Bekanntenkreis entfachen?

Arnjo Sittig: In meinem Umfeld ist das Interesse überschaubar, sowohl an der Endlagersuche als auch an den Aufgaben des Nationalen Begleitgremiums. Einerseits finde ich es nicht schlimm, wenn ich als Botschafter für die gute Sache nur wenig bewegen kann. Andererseits ärgert es mich schon, dass dieses Thema so wenig Aufmerksamkeit findet. Eigentlich sollten alle Menschen in Deutschland wissen, dass nach einem Endlager gesucht wird und dass dieser Prozess von einem Gremium, in dem auch Bürgerinnen und Bürger sitzen, kritisch begleitet wird. Ich denke, daran müssen alle Akteurinnen und Akteure des Verfahrens noch arbeiten.

Christoph Komoß: Ich versuche durchaus, als Botschafter zumindest in meinem Freundes- und Bekanntenkreis zu agieren. Aber ich erlebe dasselbe wie Arnjo: Sehr ausgeprägt ist das Interesse nicht.

Einblicke: Könnt ihr als Vertreter der jungen Generation innerhalb des Nationalen Begleitgremiums mehr bewegen?

Arnjo Sittig: Der Kampf für oder gegen Atomkraft spielt in meiner Biografie überhaupt keine Rolle. Von Gorleben hatte ich früher nie gehört, und Feindbilder wie der angebliche „Atomstaat“ sind mir fremd. Der Atomausstieg war für mich als Jugendlicher immer selbstverständlich und kein Anlass für Diskussionen. Bei den Älteren im Gremium kommen da schnell Emotionen hoch, bei mir nicht. Das beruhigt so manche Debatte.

Christoph Komoß: Mit einem frischen Blick kann man festgefahrene Diskussionen voranbringen, indem man einfach fragt: Was wollen wir eigentlich erreichen, und wie kommen wir voran? Dieser Blick von außen hilft. Wir „Jungen“ sind nicht auf eine Meinung fixiert, sondern ergebnisoffen.

Einblicke: Wie viel Zeit investiert ihr für eure Arbeit im Nationalen Begleitgremium?

Christoph Komoß: Das wechselt von Monat zu Monat, je nachdem, was an Terminen ansteht. Im Schnitt komme ich auf 20 bis 30 Stunden pro Monat.

Arnjo Sittig: Das sieht bei mir ähnlich aus. Manchmal gibt es auch Ausreißer nach oben, etwa wenn Veranstaltungen anstehen. Da kommt man dann mit Expertinnen und Experten beispielsweise darüber ins Gespräch, wie man junge Menschen erreichen kann. Und das funktioniert auf jeden Fall nicht, wenn man Jugendsprache imitiert. Sinnvoller sind Videospiele, Festivals oder auch Stipendien. Junge Menschen brauchen mehr als eine eigene Ansprache, sie brauchen eigene Formate.

Einblicke: Wo werdet ihr euch engagieren, wenn eure Zeit im Nationalen Begleitgremium irgendwann endet?

Christoph Komoß: Wieso endet? Ich habe ja gerade erst angefangen! Mal sehen, was die Zukunft bringt und wann und wo sich welche Tür öffnet. Was ich jetzt schon sagen kann: Ich verstehe schon deutlich besser, wie Arbeit in Gremien funktioniert und wie politische Prozesse ablaufen. Diese Erfahrung nehme ich gern mit.

Arnjo Sittig: Ich kann mir ebenfalls vorstellen, noch ein paar Jahre dabei zu bleiben. Aufhören sollte man, wenn man gedanklich so sehr auf Linie ist, dass man nicht mehr „out of the box“ denken kann. So weit bin ich lange noch nicht. Und danach? Ich kann mir gut vorstellen, mich in anderen Gremien einzubringen. Ich habe mich früher stark für „Fridays for Future“ engagiert – damals vor allem als Aktivist. Aber auch bei „Fridays for Future“ gibt es Gremienarbeit. Was ich persönlich gelernt habe: Politisch zu arbeiten, das ist auf alle Fälle mein Ding.


Die Fragen stellte Michael Prellberg.

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