Ein Teil von etwas Besonderem

Gorleben

24.11.2023 Interview

Die BGE hat den Auftrag erhalten, das Bergwerk Gorleben zu schließen. Dabei arbeiten viele unterschiedliche Disziplinen zusammen – auch Geolog*innen zählen dazu. Welche Rolle sie bei der Schließung und damit dem letzten Kapitel des Bergwerks Gorleben spielen, erklärt der Teamleiter der Geologie und Hydrologie im Bergwerk Gorleben, Christian Islinger, im Einblicke-Interview.

Einblicke: Sie arbeiten als Teamleiter der Geologie und Hydrologie im Bergwerk Gorleben, das von der BGE geschlossen wird. Erkundungsarbeiten im Hinblick auf die Eignung für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle werden nicht mehr durchgeführt. Welche Rolle spielen Geolog*innen eigentlich bei der Schließung?

Christian Islinger: Beim eigentlichen Prozess der Schließung keine, zumindest keine wesentliche Rolle. Natürlich arbeiten wir dem Betrieb zu, etwa wenn es rund um das Thema Salzhalde beziehungsweise deren Stoffbestand geht. So war im Rahmen der Planung zur Verfüllung des Bergwerkes die Frage zu klären, ob das gelagerte Salz auf der Halde ausreicht, um das Bergwerk zu verfüllen. Denn bedingt durch die Niederschläge haben sich im Laufe der Jahre rund 40 Prozent des im Zuge der Erkundung nach oben gebrachten Salzes aufgelöst.

Eine sehr große Rolle spielen wir natürlich, wenn es um die Frage geht, ob beim Weg des Salzes wieder zurück nach unter Tage eine Belastung des Grundwassers, des Bodens und der Luft auftreten kann. Deshalb werden wir den Rückbau der Salzhalde mit unserem Überwachungs- und Messprogramm intensiv begleiten.

Portraitfoto von einem Mann mit weißen Helm
Diplom-Geologe Christian Islinger ist Teamleiter der Geologie/Hydrologie im Bergwerk Gorleben. Nach dem Studium der Geologie/Paläontologie arbeitete er rund 24 Jahre im Bergwerk Gorleben – zunächst als Betriebsgeologe, später in der Öffentlichkeitsarbeit. Nach einem rund achtjährigen Intermezzo auf der Schachtanlage Konrad – ebenfalls zunächst als Betriebsgeologe und später als Mitarbeiter der Öffentlichkeitsarbeit – wechselte er 2023 zurück nach Gorleben in seine jetzige Position.

Daten im Fokus

„Im Bereich der Salzhalde werden kontinuierlich zahlreiche Daten erfasst.“

Einblicke: Was sind Ihre konkreten Aufgaben und die Ihres Teams und wie gestaltet sich ein typischer Tagesablauf für die Geolog*innen vor Ort?

Christian Islinger: Wir sind ein kleines Team, das aus vier Kollegen besteht. Jeder von uns hat zwar seine Arbeitsschwerpunkte, jedoch muss jeder den anderen bei den täglichen Routinearbeiten vertreten können. Zusammenfassend kann man sagen, dass „drei D’s“ unseren Arbeitsalltag prägen: Daten erfassen – Daten dokumentieren – Daten weitergeben.

Wie bereits erwähnt, ist die Salzhalde ein Schwerpunkt unserer Arbeit und der Einfluss der Salzhalde auf die Umwelt ist von uns zu prüfen und zu dokumentieren. Niederschläge lösen das Salz langsam auf und das dabei entstehende Salzwasser wird in zwei großen Rückhaltebecken gesammelt. Durch Undichtigkeiten könnte dabei Salz in das Grundwasser gelangen und dieses belasten. Zur Überwachung misst deshalb ein Kollege mit unserem Laborwagen arbeitstäglich relevante Werte wie Chloridgehalt, elektrische Leitfähigkeit und ph-Wert des Grundwassers in 39 speziell dafür gebohrten Brunnen rund um die Halde. Zusätzlich werden immer am Monatsanfang von uns im Umfeld der Halde aufgestellte Glasgefäße eingesammelt und an ein Labor verschickt. Dort wird der über einen Monat gesammelte Staub analysiert, um eine eventuelle Emission von Salzstaub zu erkennen.

Im Bereich der Salzhalde werden kontinuierlich zahlreiche Daten erfasst. Die melden wir regelmäßig an das LBEG, das Niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie, sowie an den Landkreis Lüchow-Dannenberg. Einer von uns holt also morgens um 6 Uhr als erstes die Datenblätter, die der Drucker unserer Überwachungsanlage ausspuckt. Die relevanten Daten werden dann mit Hilfe von Tabellen aufbereitet und ausgewertet – und das seit den 90iger Jahren des letzten Jahrhunderts. Zu den Daten gehört zum Beispiel die Menge an Salzlösung, die von der Halde in die beiden Rückhaltebecken läuft oder die Menge an Salzlösung, die wir von den Rückhaltebecken in die Elbe einleiten. Um eine negative Beeinflussung der Wasserqualität auszuschließen, darf letzteres nur ab behördlich festgelegten Wasserständen der Elbe erfolgen.

Ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit hat mit dem Betriebsgelände zu tun. Hier stehen die Wetterstation und drei Kontrollschächte auf unserem täglichen Arbeitszettel. Im Rahmen einer „Wasserrechtlichen Erlaubnis“ dürfen wir eine bestimmte Menge an Niederschlagswasser, das über befestigte Flächen und Dächer abläuft, auf dem Gelände versickern lassen. So erfassen wir über unsere Wetterstation den Niederschlag und über drei Kontrollschächte die ablaufende Wassermenge, bevor diese versickert. Dabei müssen vorgegebene Grenzwerte bei ph-Wert und Leitfähigkeit eingehalten werden.

Zusätzlich zu den täglichen Aufgaben haben wir in größeren Intervallen anfallende Arbeiten. So die 14-tägige Tour über das Betriebsgelände und die Salzhalde, bei der wir Pegel und Wasseruhren ablesen sowie Betriebswässer beproben und analysieren. Oder die 14-tägigen, monatlichen und jährlichen Befahrungen und Beprobungen von Zutrittsstellen in den Schächten und im Bergwerk.

Enge Zusammenarbeit

Einblicke: Mit welchen anderen Bereichen des Projekts Gorleben haben Sie die meisten Schnittpunkte in der täglichen Arbeit? Wie muss man sich die Zusammenarbeit vorstellen?

Christian Islinger: Bei der täglichen Arbeit sind wir eng mit jeder Arbeitsgruppe der Anlage vernetzt. Bei allen Aufgaben haben wir Berührungspunkte und sind auf die Unterstützung der Kolleg*innen angewiesen, egal ob es sich um den Maschinen- und Elektrobetrieb, den Tages- oder den Schachtbetrieb handelt.

Das betrifft zum Beispiel die Terminierung und Abwicklung der technischen Überprüfung, Wartung und Instandsetzung von Geräten. Auch die Hilfestellung beim Abtransport von salzbelastetem Wasser zur Salzhalde, die Unterstützung bei der Druckprüfung der Soleleitungen oder der Reinigung der Rückhaltebecken gehören dazu.

„Bei der täglichen Arbeit sind wir eng mit jeder Arbeitsgruppe der Anlage vernetzt.“
„Heute darf ich am Verschluss des Bergwerkes teilnehmen, das macht nicht nur mich wehmütig.“

Einblicke: Was fasziniert Sie persönlich an Ihrer Arbeit am Projekt Gorleben am meisten?

Christian Islinger: Am meisten fasziniert mich, ein Teil von etwas Besonderem zu sein. Hier hat das Thema „Endlagerung“ seinen Anfang genommen und die hier gewonnene Erfahrung wird in die Expertise der BGE einfließen. Als ich 1990 als frischer Uni-Abgänger in Gorleben anfing, waren wir noch ziemlich am Anfang der Erkundung – im Schacht 1 gerade am Salzspiegel angekommen, steckten wir im Schacht 2 noch in den eiszeitlichen Ablagerungen. Heute darf ich am Verschluss des Bergwerkes teilnehmen, das macht nicht nur mich wehmütig. Trotzdem sind wir hier alle stolz auf unsere geleistete Arbeit und werden das Projekt Gorleben mit gewohnter Professionalität auf dessen letzten Jahren begleiten.

Über den Autor

Die Fragen stellte Martin Reche, Redakteur für externe Kommunikation bei der Bundesgesellschaft für Endlagerung.


Top