„Je tiefer wir gehen, desto weniger Daten haben wir“

03.12.2018 von Oliver Gehrs Interview

Einleitung

In der ersten Phase der Endlagersuche sollen auch die Geologischen Dienste der Bundesländer Daten über die Beschaffenheit des Untergrundes in Deutschland liefern. Der Vorsitzende der Landesdienste, Dr. Roland Eichhorn, spricht über die Schwierigkeiten dabei

Ein Gespräch darüber, welche geologischen Daten die Bundesländer liefern

Einblicke:

Herr Eichhorn, gibt es in allen Bundesländern eine ähnliche Datenlage?

Roland Eichhorn:

Nein, die ist ganz unterschiedlich. So wurde der Untergrund in den neuen Bundesländern besonders nach dem Krieg intensiv erforscht, um im Rahmen der Autarkiebestrebungen der DDR systematisch nach Bodenschätzen zu suchen. Daher gibt es dort recht viele Daten. In den alten Bundesländern wurde der Untergrund weniger systematisch erkundet. So gibt es Regionen, in denen die Datenlage sehr viel schlechter ist.


Wie kann man die im Nachhinein verbessern?

Die Endlagerkommission hat das Problem durchaus bedacht. Die unterschiedliche Datendichte ist im Gesetz berücksichtigt, und verschiedene Verfahren sind vorgesehen, um sie zu komplettieren. Eins ist aber auch klar: Eine absolut gleiche Datendichte, die jeder Kritik standhält, wird es nicht geben. Damit muss man leben.

Wenn es um Grundwasser geht, Bodenschätze oder auch Erdbebengefahr – die Experten für all das sitzen bei den Staatlichen Geologischen Diensten (SGD). Dort werden Informationen über die Beschaffenheit des Untergrunds gesammelt.


Welche Probleme gibt es noch?

Wir haben im vergangenen Jahrhundert eine Menge Geo-Daten gesammelt, aber nie mit dem Ziel, ein Endlager zu suchen. Insofern ist die Datenqualität unterschiedlich. Ein Beispiel: Wenn man für viel Geld in die Tiefe bohrt, um heißes Wasser für die Geothermie zu nutzen, ist dem Auftraggeber relativ egal, wie der Stein drum herum aussieht. Ob der bröselig ist oder nicht, wurde nicht sonderlich dokumentiert. Oder warum sollte man Geld ausgeben und ein Loch bohren, wenn es im Untergrund nichts zu holen gibt? Wenn Sie zum Beispiel Granit für Kopfsteinpflaster wollen, graben Sie nicht tiefer als 20 oder 30 Meter. Allgemein gilt: Wo in Deutschland nicht wegen Bodenschätzen, Öl oder Wasser gebohrt wurde, gibt es viel weniger Wissen über den Untergrund.


„Wenn Sie nach heißem Wasser bohren, ist es egal, wie der Stein drum herum aussieht.“

Inwieweit spielt Politik eine Rolle? Es gibt Bundesländer, die schon signalisiert haben, kein Endlager haben zu wollen. Schicken die weniger Daten?

Nein, in den zahlreichen Sitzungen habe ich festgestellt, dass wir alle Forscher und Behördenvertreter einer naturwissenschaftlichen Landesverwaltung sind. Ein Forscher ist ein objektiver Mensch, ein Naturwissenschaftler. Daher gibt es über alle Landesgrenzen hinweg das Wissen um unsere Verantwortung. Wir halten die Endlagersuche für eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die von großer Bedeutung ist. Deswegen liefern wir die Daten so umfassend, so schnell, so aktuell und so korrekt wie möglich.

Wie würden Sie als Forscher das Suchverfahren beurteilen?

Ich bin zutiefst überzeugt, dass dieser iterative Ansatz, dass man also in Schleifen denkt und Wiederholungen einplant, das beste Vorgehen ist. Gerade weil ich damit immer eine Phase zurückspringen kann, je nach Erkenntnisgewinn. Ich muss mich also nicht im ersten Durchgang festlegen, ich kann zurückspringen und einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn einbringen. Es ist auch wichtig, dass wir unabhängige Begleitgremien haben, in denen die Bevölkerung mitgenommen wird. Insgesamt ist es ein sehr gutes wissenschaftliches Vorgehen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man es besser machen kann.


Das Interview wurde geführt von Oliver Gehrs.


Dr. Roland Eichhorn (52) ist studierter Geowissenschaftler und leitet seit zehn Jahren den Staatlichen Geologischen Dienst Bayern. Seit anderthalb Jahren ist er Sprecher aller Staatlichen Geologischen Dienste.

Top